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Stiller und der Gartenzwerg - Main-Krimi

Stiller und der Gartenzwerg - Main-Krimi

Titel: Stiller und der Gartenzwerg - Main-Krimi
Autoren: Peter Freudenberger
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Ideen«, hatte Bausback in einer Rundmail an die Redaktion verkündet. »Sicher haben Sie es schon oft gehört: Kreativität kann trainiert werden. Wir werden unsere Redaktion daher in ein Fitnessstudio für kreatives Work-out verwandeln.«
    In der Folge hatte er Dr. Frauke Heiner-Döberlin engagiert, eine Expertin für chaotisch-intuitive Innovationsmethoden. Drei Wochen lang sollte sie die Redaktion in fünfzehnminütigen Workshops vor den Morgenkonferenzen mit den unterschiedlichen Techniken und Quellen der Kreativität vertraut machen: die Reizwortanalyse zur Provokation unkonventioneller Ideen, den Perspektivwechsel am Beispiel der Walt-Disney-Strategie oder die Denkhütevariante von De Bono, Brainwriting, Konzeptextraktion, Visuelle Synektik, Value Curve, Mindmapping, Morphologische Matrix, Semantische Intuition, Tai Chi, Alpha-Tiefschlaf: Am Ende sollte für jeden die passende Methode dabei sein.
    »Schweinshaxe!«, rief der Blattmacher der Politik.
    »Oh Gott«, seufzte Stiller.
    »Sehr gut!« Heiner-Döberlin angelte sich eine gelbe Wolke und schrieb »Gott« darauf.
    Die Teilnahme am Training war freiwillig, damit war das größte Problem bereits beschrieben. Die meisten Redaktionsmitglieder hielten sich dem kreativen Work-out fern. Aus zwei Gründen, wie sie ihren Entschuldigungen anfügten: Erstens weil ihnen angesichts der engen Besetzung die Zeit fehlte, zweitens weil sie den bestmöglichen Weg für Kreativität und Innovation bereits gefunden hätten. Es sei genau der, den sie schon immer beschritten.
    »Die erste Phase ist um«, sagte die CITT sanft. »Lassen Sie uns nun an die Analyse gehen.« Sie wandte sich zur Stellwand und betrachtete sie, den Zeigefinger denkerisch ans Kinn gelegt. »Wir beginnen mit dem umfassendsten Begriff: Gott.« Sie pflückte die gelbe Wolke vom blauen Stoffhimmel und hielt sie über sich, während sie sich auf die Vorderkante ihres Stuhles setzte. »Sie müssen das jetzt nur erläutern, wenn Sie es wirklich wollen.« Ihr Ton glich dem einer Mutter, die einem Kleinkind mit Keuchhusten Mut zuspricht. »Was haben Sie uns mit diesem Wort sagen wollen, Herr Stiller?«
    ***
    Allmählich begann Stiller, sich von seinem Schock zu erholen. Er hatte nach der Reizwortanalyse eine schnelle Konferenz mit der Stadtredaktion gehalten, die er leitete. Die Themen und Aufgaben waren verteilt, die Arbeit lief.
    Sonja Wagner, die gute Seele des Redaktionssekretariats, hatte eine Kanne Kaffee für alle gebrüht. Stiller hatte der Kulturredakteurin, die hinter ihm in die kleine Kaffeeküche geschlurft kam, großzügig den Vortritt überlassen, die Geste aber sofort wieder bereut, als er den kärglichen Rest betrachtete, den sie ihm übrig gelassen hatte. Egal, nichts konnte diesen Tag schlimmer machen, als er schon war. Ein aufbauender Gedanke.
    In seinem Büro ließ er die Tür offen, schloss aber das Fenster – der Mai war ungewöhnlich kühl. Stiller hatte gehofft, nach den Eisheiligen würde es besser werden, aber Deutschland lag unter einem beharrlichen Tief. Und Aschaffenburg mittendrin. Er ließ sich auf seinen Sessel sinken und breitete auf dem Schreibtisch die Unterlagen für den Beitrag aus, den er schreiben wollte.
    Ein leiser Gong signalisierte den Eingang einer E-Mail. Er öffnete die Nachricht, die von der Pressestelle der Polizei kam. Für den täglichen Bullenreport war es viel zu früh, der kam erst gegen Abend. Es musste etwas passiert sein.
    Eben wollte er zu lesen beginnen, da fühlte er, dass ihn jemand beobachtete. Er blickte über die Schulter. Dr. Frauke Heiner-Döberlin lehnte lässig am Türrahmen, einen Pott Kaffee in der Hand.
    »Störe ich?«, fragte sie.
    »Ähm, also …«
    Sie trat ein und zog die Tür hinter sich zu. »Ich würde gerne ein paar Takte mit Ihnen reden, Herr Stiller. Paul. Ich darf doch Paul zu Ihnen sagen? Sie dürfen mich auch Frauke nennen.«
    Stiller nickte überrumpelt. Die Nähe der CITT machte ihn verlegen. Das hatte nichts mit ihrer etwas ungewöhnlichen Erscheinung zu tun. Dr. Frauke Heiner-Döberlin war groß und dünn, fast mager. Stillers Freund Kleinschnitz hatte ihr den Spitznamen Bohnenstange verpasst. Ihr schlanker Hals war auffällig lang, und wie um ihn zu betonen, stand ihr das kastanienbraune Haar in widerborstigen Locken vom Kopf ab. Sie trug ein enges Business-Kostüm mit einem kurzen Rock, der ihre ebenfalls auffällig langen Beine sehen ließ. Beine, die genauso spindeldürr waren wie ihre Arme.
    Stillers Verlegenheit
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