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Stigma

Stigma

Titel: Stigma
Autoren: Michael Hübner
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dieser Hinsicht seine Berechtigung hatte.
    Durch den Flur hörte Tom, wie Karin die Tür öffnete. Kurz darauf vernahm er eine fremde Männerstimme, konnte aber keine Einzelheiten verstehen. Es dauerte nicht lange, bis Karin in die Küche zurückkehrte und ihn unsicher ansah.
    »Was ist denn?«, fragte er. »Haben sie das falsche Kleid geliefert?«
    »Mark, Schätzchen.« Karin hob ihren Sohn von seinem Kinderstuhl. »Bitte geh in dein Zimmer, ja?«
    »Aber Mama«, protestierte der Kleine. »Ich will doch noch Nachtisch.«
    »Den gibt es heute ausnahmsweise mal später.«
    »Was ist denn los?«, wiederholte Tom hörbar besorgt, nachdem Mark den Raum verlassen hatte.
    »Es ist die Kriminalpolizei«, berichtete Karin erschrocken. »Sie sagen, es geht um einen Mord.«
    »Sind Sie Tom Kessler?«, erkundigte sich einer der beiden Männer, als Tom die Tür erreichte.
    »Thomas Kessler – ja, der bin ich«, antwortete er verstört.
    »Dürfen wir hereinkommen?«
    »Um was genau geht es denn bitte?«
    »Das würden wir Ihnen gerne drinnen erklären, wenn es Ihnen nichts ausmacht.«
    »Nein, natürlich nicht«, sagte Tom zögernd und führte die Polizisten durch den Flur in das große Wohnzimmer, an das ein kleiner Wintergarten angrenzte. »Bitte setzen Sie sich.« Er deutete auf die dreiteilige Sitzgruppe, deren Mittelpunkt ein massiver Tisch aus Kiefernholz bildete. Tom und Karin nahmen den beiden gegenüber Platz. Der schmächtigere der Männer stellte sich als Kommissar Michael Dorn von der Kripo Koblenz vor. Er mochte Mitte dreißig sein, hatte dunkles, leicht gelocktes Haar und war leger in Jeans gekleidet. In der Hand hielt er eine blaue Aktenmappe.
    Tom fiel auf, dass er sehr schlanke und gepflegte Finger hatte. Es war ihm fast schon zu einer zwanghaften Gewohnheit geworden, den Leuten zuerst auf die Hände zu schauen. Der andere Mann sah etwas jünger und förmlicher aus; brauner Anzug, aber keine Krawatte. Seine Hände waren kräftiger.
    »Das ist mein Kollege Markus Bender.« Dorn nickte kurz zu dem Mann im braunen Anzug hinüber, während er gleichzeitig das Interieur des Hauses betrachtete.
    Küche und Wohnraum bildeten fast eine Einheit und waren nur durch eine kleine Theke und einen im Rundbogen gemauerten Zugang voneinander getrennt. Die Möbel waren rustikal im Landhausstil gehalten, jedoch nicht im Mindesten wuchtig oder altmodisch. Ein frischer Orangeton strahlte von den Wänden, die um den geschlossenen Kamin herum mit Bruchsteinen verkleidet waren. Rötliche Vorhänge umrahmten die Fenster und die breiten Glastüren, hinter denen sich ein großzügiger Garten erstreckte. Alles wirkte sehr warm und durchdacht, aber keineswegs protzig.
    »Schön haben Sie es hier«, bemerkte Bender beeindruckt. »Und mit streitlustigen Nachbarn haben Sie hier draußen sicher auch keine Probleme, nicht wahr?«
    »Nein«, erwiderte Tom. »Ich bin kein besonders geselliger Mensch und brauche die Abgeschiedenheit, wenn ich schreibe. Das Haus und das Grundstück gehörten meinen Großeltern. Leider sind sie vor ein paar Jahren gestorben.«
    »Das tut uns leid.«
    »Schon gut, Herr Kommissar. Was ist denn nun der Grund Ihres Besuchs?«, drängte Tom, der kein Freund von Floskeln war.
    »Nun, wie wir Ihrer Frau bereits erklärt haben«, sagte Dorn, »ermitteln wir momentan in einem Mordfall, der uns einige Rätsel aufgibt.«
    »Ich hoffe doch, es betrifft niemanden, den wir kennen?«, fragte Karin besorgt.
    »Nein, ich denke, das können wir ausschließen. Trotzdem haben wir die begründete Hoffnung, dass Ihr Mann uns helfen kann, etwas Licht in diese Angelegenheit zu bringen.«
    Tom blickte kurz zu Karin hinüber. Dann sah er die beiden Männer unschlüssig an. »Nun, ich werde natürlich tun, was in meiner Macht steht«, versicherte er bestürzt. »Was genau ist denn passiert?«
    Dorn räusperte sich kurz. Fast hatte es den Anschein, als wolle er nur zögernd mit den Einzelheiten herausrücken. »Gestern Nachmittag wurde neben dem baufälligen Gebäude in der Nähe des hier angrenzenden Hotels die Leiche eines fünfjährigen Mädchens gefunden«, begann er. »Sie war in einer offenen Grube deponiert und wies Spuren zahlreicher Misshandlungen auf. Die genauen Einzelheiten wollen wir Ihnen ersparen.«
    »Mein Gott!« Entsetzt schlug Karin die Hände vor den Mund.
    »Das Mädchen konnte mittlerweile identifiziert werden«, fuhr Dorn fort. »Ihr Name ist Franziska Kern, und wie sich herausstellte, war sie seit etwa acht Tagen als
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