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Stiefbruder - Liebe meines Lebens

Stiefbruder - Liebe meines Lebens

Titel: Stiefbruder - Liebe meines Lebens
Autoren: Kooky Rooster
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abzulesen. Zudem kamen ständig irgendwelche Pakete an, meist Sachen für die Wohnung, die mein Vater per Katalog bestellt hatte. Meine Aufgabe sah ich darin, das Zeug zwar entgegenzunehmen, es dann aber gleich beim Eingang liegen zu lassen, sodass mein Vater öfter mal drüber stolperte, wenn er abends heim kam. Ihn machte das stinksauer und mich erfüllte es mit heimlicher Schadenfreude.
    An diesem Vormittag jedoch stand kein Paketdienst vor der Tür, sondern mein geliebter Stiefbruder. Er strahlte mich mit seinen nussbraunen Augen an, das Haar hatte er hinter die Ohren geklemmt und von seiner Schulter hing lässig ein üppiger Rucksack. Sein Gepäck plumpste schwer zu Boden, als ich mich Jakob an die Brust warf und ihn stürmisch umarmte. Am liebsten hätte ich ihn nie wieder losgelassen, vergrub meine Nase an seinem Hals und drückte meine Lippen für einen heimlichen Kuss auf sein Shirt. Er lachte über die stürmische Begrüßung und legte einen Moment eine warme Hand zärtlich auf meinen Hinterkopf, ehe er mich behutsam von sich wegschob und in die Wohnung trat.
    Dass mein Zimmer noch nicht viel mehr war, als ein halbleerer Raum mit einer Menge Gerümpel, bestürzte ihn. Entschlossen krempelte er die Ärmel hoch – mental, er trug ein kurzärmeliges Shirt – und richtete mit mir das Zimmer her.
    Dabei erzählte er mir, wie öde es daheim nun war, wie langweilig und schrecklich. Vermutlich sagte er das nur, damit ich kein Heimweh bekam. Wäre sein Zuhause und seine Familie nicht für zehn Jahre auch meines gewesen, hätte ich seinen Schilderungen zufolge glauben müssen, er hause in Kalkutta und ernähre sich von Kakerlaken. Für jede dieser Geschichten, mit denen er mir klar machen wollte, dass ich es nun um so vieles besser hätte, liebte ich ihn mehr. Er ging so weit, dass er, als er im Bad den Wasserhahn aufdrehte, begeistert zurück sprang und ausrief:
    „Wahnsinn! Ihr habt fließendes Wasser?“ Er tat so, als habe er so etwas noch nie gesehen und brachte mich mit diesen und weiteren Albernheiten zum Lachen. Das hatte ich schon länger nicht mehr gemacht – lachen. Bis zu dem Augenblick, als mein Vater heim kam, hatte ich beinahe vergessen, dass ich in ein einsames Leben gestoßen worden war, fühlte ich mich für Stunden wieder richtig wohl und glücklich.
    Mein Vater jedoch war nicht besonders amüsiert darüber, dass Jakob uns besuchte. Wie sich herausstellte, war mein Stiefbruder ohne Erlaubnis von daheim abgehauen und hier aufgetaucht. Er und mein Vater begannen bald wild zu streiten und ich fürchtete, dass es damit enden würde, dass mein Vater Jakob entweder rauswerfen – oder mein Bruder wutentbrannt abhauen würde.
    Eilig zog ich mich in mein Zimmer zurück und packte hektisch meinen Rucksack, wild entschlossen, Jakob zu begleiten. Für mich war mein wahres Zuhause immer noch dort, wo meine Stiefmutter, Claudia und Jakob wohnten.
    „Du kannst ihn nicht den ganzen Tag allein lassen – hier, wo er keinen kennt!“, hörte ich meinen Bruder vom Wohnzimmer her schreien.
    „Du hast mir in puncto Erziehung
gar nichts
vorzuhalten. Du bist selbst noch ein Kind – und kannst dich noch nicht einmal an einfache Regeln halten!“, konterte mein Vater aufgebracht.
    „Als Vater bist du ein Versager!“, warf Jakob ihm lautstark vor, dicht gefolgt von einem provokativen: „Nur zu, schlag mich doch!“
    Wie von der Tarantel gebissen stürmte ich in die Küche, bereit, mich zwischen meinen Bruder und meinen Vater zu werfen. Mein Vater war zwar meistens kalt und hart wie ein Stück Metall, aber er hatte noch nie zugeschlagen. Andererseits aber hatte ihn bisher noch kein Halbstarker einen Versager gespottet. Zudem wusste ich, dass sich Jakob nur zu gern zu einem Gerangel hinreißen ließ, wenn eine Situation eskalierte – und es sah ganz danach aus, als würde es passieren.
    „Raus!“, brüllte mein Vater und zeigte in einer herrischen Geste zur Tür.
    „Nichts lieber als das!“, fauchte Jakob.
    „Ich komm mit“, erklärte ich wild entschlossen und grapschte rasch meinen Rucksack.
    „Du bleibst!“, donnerte mein Vater. Aus reinem Trotz, um ihn zu provozieren, packte Jakob meine Hand und zog mich mit nach draußen vors Haus.
    „Clemens, du kommst –
'sofort'
– zurück!“, befahl mein Vater streng.
    „Nein!“, protestierte ich und klammerte mich an Jakobs Arm fest.
    „Jakob!“, warnte mein Vater. Das war sein typischer, eiskalter Tonfall, bei dem man davon ausgehen musste, dass er
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