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Sterntaucher

Sterntaucher

Titel: Sterntaucher
Autoren: Astrid Paprotta
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ohne Geld dafür zu nehmen, denn als Polizist durfte er ja nebenher nichts verdienen, oder?
    Ina hob die Schultern. »Keine Ahnung.«
    »Nur mit Genehmigung«, sagte Kissel hinter ihm, und Dorian zuckte zusammen, als er so unvermittelt seine Stimme hörte, doch er drehte sich nicht um. Ja, Robin kam also in den Taubenschlag, um ihn anzupumpen. »Ich bin im Moment etwas illiquid«, hatte er gesagt.
    »Was bist du?« fragte Dorian.
    »Klamm. Insolvent. Finanzschwach.« Robin rutschte auf dem Barhocker herum.
    »Ich hab fünfzig Mark«, sagte Dorian. »Reicht das?«
    »Mensch, Mensch.« Robin seufzte. »Reichen tut’s nie.« Er sagte, daß er den Typen, bei dem er im Augenblick wohnte, nicht dauernd anschnorren wollte, weil der ihm auf die Ketten ging. Seine Stimme wurde dumpf, als er den Kopf zwischen die aufgestützten Arme schob. »Eben hab ich Cheeseburger gegessen, jetzt hängt er mir im Magen.« Er hatte noch etwas gesagt, an das er sich nicht erinnerte, das aber sicher auch nicht so wichtig war. Keiner hatte Tschüs gesagt oder so.
    Er lehnte sich zurück und spürte, wie seine Knie anfingen zu zittern. Neben ihm sagte die Kommissarin ganz leise: »Dorian, wir müssen mit euren Eltern sprechen.«
    Er nickte. »Wir haben nur unsere Mutter. Unser Vater ist gestorben, da war sie mit Robin schwanger, wir haben ihn gar nicht gekannt. Unsere Mutter ist Katja Kammer, du weißt doch, wer das ist?«
    Ina kniff die Augen zusammen und schüttelte den Kopf.
    »Sie ist eine bekannte Sängerin, das hab ich doch schon gesagt, sie war auf der Bühne.«
    »Ich weiß nicht«, murmelte sie.
    »Du kennst sie bestimmt.«
    Eine Zeitlang hatte er geglaubt, die ganze Welt müsse sie kennen und mit Rosen nach ihr werfen, die ganze Welt.
    »Sie hat ihre Musik selbst geschrieben, sie hat hunderttausend Fans. Es war ihr selber nicht recht.«
    »Was?«
    »Daß wir zu den Tillmanns mußten, Robin und ich. Wir waren noch Kinder.«
    Als er Ina ein wenig seufzen hörte, als wäre sie nicht zufrieden mit dem, was er ihr erzählte, senkte er den Kopf und guckte erneut auf ihre Beine, weil er nicht wollte, daß ihr Blick sich veränderte. Es war schön, wenn sie ihn ansah, als wolle sie sein Fieber messen.
    »Es war so«, sagte er, »unsere Mutter hatte damals viel zu tun, da hat sie gesagt, wir müßten eine Zeitlang bei den Tillmanns wohnen, als Pflegekinder. Sie heißen Klaus und Regine Tillmann.« Er sah ihr wieder ins Gesicht. »Na ja, und wir haben ein paar Jahre da gewohnt, aber jetzt nicht mehr. Ich hab meine Wohnung, und Robin ist halt herumgezogen, er hat mal angefangen, Autoschlosser zu lernen, aber –« Er merkte, wie seine Stimme sich verlor und daß er das nicht wollte. »Robin hatte keinen richtigen Job, manchmal hat er in Tankstellen gearbeitet oder in Supermärkten, im Lager.«
    »Wo wohnt eure Mutter?«
    Er lächelte und sah das Haus und hörte ihre Stimmen, Robins Kinderkrächzen und das Lied, das sie ihm sang, wenn er weinte. Er kramte Zettel und Stift aus seiner Hosentasche und schrieb die Straße auf; im Ostend, sagte er dazu, und daß sie es da versuchen könnten, doch war sie unstet, immer unterwegs, den Sternen hinterher und dem Glück. Die Kommissarin lächelte ein bißchen, als er das sagte.
    »Möchtest du mitkommen?« fragte sie.
    »Nein.« Er spürte eine merkwürdige Leere im Kopf und würde trotzdem immer weiterreden können, egal was sie ihn fragte, er würde antworten. Wie hieß dein erstes Mädchen? Sie hieß Elke, und ihre Zähne waren schief. Als er ihr das sagte, war sie sein erstes Mädchen gewesen. Wie hieß dein zweites? Sie hieß Ayse, und ihr Vater mochte ihn nicht, schmiß ihn abends schon um acht Uhr raus. Er massierte sich die Schläfen. Die ganze Zeit rumorte dieser Satz in seinem Kopf: Tot ist nur der, an den niemand mehr denkt.
    »Du hast bestimmt schon von unserer Mutter gehört«, sagte er, »du kommst jetzt bloß nicht drauf.«
    Sie ging nicht darauf ein, sondern fing schon wieder an, ihn Dinge zu fragen, die er nicht wußte: »Was ist das für ein Typ, bei dem Robin gewohnt hat?«
    »Ich weiß nur den Namen und die Adresse. Robin hat sie mir gegeben, für alle Fälle, hat er gesagt. Hollstein heißt der. Aber mehr kann ich nicht sagen.«
    Als er aufstand, spürte er sein Hemd am Körper kleben, denn die Luft war noch immer drückend und dumpf. Die Adressen mußte er noch nennen, die von Tillmann und von Hollstein und seine eigene auch, dann durfte er gehen. Das Scheinwerferlicht brannte nicht
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