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Sterbensangst (German Edition)

Sterbensangst (German Edition)

Titel: Sterbensangst (German Edition)
Autoren: David Mark
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den Auftrag, möglichst viele Wellen zu schlagen. Ray und Adler wurden als Pharaohs Stellvertreter rekrutiert, aber keiner von beiden machte gute Miene zum bösen Spiel. Das Gerücht lief um, dass die Chefetage ihnen gesagt hätte, ihre Chefin sei eine reine Galionsfigur – ein Blitzableiter, der die Prügel einstecken würde, wenn etwas schiefging. Dass sie die eigentlichen Anführer des Teams seien. Doch Pharaoh hatte ihre eigenen Vorstellungen; sie sah die einzigartige Chance, mit guten Leuten etwas Besonderes aufzubauen.
    Aber für jeden von ihr rekrutierten Beamten stellte Ray einen seiner eigenen Vertrauten ein. Bald verlief ein Riss quer durch die Einheit, sie war gespalten von Intrigen und Hinterhältigkeit, aufgeteilt zwischen Rays alten Weggefährten und Pharaohs geradlinigen, handverlesenen Spezialisten.
    McAvoy gehört keinem der beiden Lager an. Auf seinen Visitenkarten steht zwar ›Dezernat für Kapitalverbrechen und organisierte Kriminalität‹, aber er ist niemandes Goldjunge. Er hat die Versetzung selbst beantragt. Schulden bei den Lamettaträgern eingetrieben. Ist als eine Art Belohnung dafür in die Einheit geschlüpft, dass er sich für ein Maß an Pflichterfüllung beinahe umbringen ließ, das niemand von ihm verlangt hatte.
    In Wirklichkeit ist er so was wie eine Mischung aus Botschafter und Maskottchen; ein gebildetes, sprachgewandtes, physisch beeindruckendes Aushängeschild der schönen neuen Welt der Polizei von Humberside – wie geschaffen, um vor Frauenverbänden und Schulklassen Reden zu schwingen. Außerdem ist er ein wertvoller Aktivposten, wenn am Ende des Jahres der neue Software-Bedarf der Abteilung ermittelt werden muss.
    »Was ist los, Papa?«
    Während McAvoy über den Platz hinweg starrt, wird der Geruch nach Schnee plötzlich stärker. Er hat gehört, dass die Temperatur zu niedrig sein kann, um Schneefall zu ermöglichen, aber eine Kindheit in der harten und unbarmherzigen Umarmung der Western Highlands hat ihn gelehrt, dass es nie zu kalt ist für Schneeflocken. Ein schneller Temperatursturz wird den Boden gefrieren lassen. Verhindern, dass der Schnee sich setzen kann. Den Wind zum Auffrischen bringen. Einen Schneesturm zusammenbrauen, der seine jungen Augen blendet und seine Finger in blauen Stein verwandelt …
    Ganz hinten am Gaumen spürt er wieder diesen metallischen Geschmack und staunt einen Moment lang über die unheimliche Ähnlichkeit zwischen dem Aroma eines Wetterwechsels und dem scharfen, bitteren Geruch von Blut.
    Und dann hört er die Schreie. Laut. Durchdringend. Vielstimmig. Das ist nicht bloß Getue, kein Geplänkel zwischen angesäuselten Spaziergängern. Das ist Entsetzen pur, entfesselt.
    McAvoys Kopf schnellt in die Richtung herum, aus der die Laute kommen. Jede Bewegung auf dem Platz erstarrt. Männer, Frauen, Familien kommen wie die Ballerinas einer Spieluhr abrupt und unelegant zum Stillstand.
    Er steht auf, fädelt seine große Gestalt hinter dem Tisch hervor und starrt in den Schlund des Gotteshauses. Nach zwei Schritten stellt er fest, dass er sich in den Tischbeinen verheddert hat. McAvoy schlägt aus. Wirft den Tisch um. Beginnt zu laufen.
    Er sprintet über den Platz und spürt plötzlich von allen Seiten Bewegung. »Zurückbleiben«, schreit er und fuchtelt mit den Armen, während die ersten Neugierigen schon auf die Dreifaltigkeitskirche zuströmen. Sein Atem geht flacher, während Adrenalin in die Adern schießt. Er spürt, wie ihm das Blut in die Wangen steigt. Erst als er durch die offenen Flügel des Gittertors in den Schatten der Doppeltüren gelangt, fällt ihm sein Sohn wieder ein. Er kommt zum Stehen wie ein lahmendes Pferd, ein Gewirr aus Armen und Beinen, schlenkernden, unkoordinierten Gliedmaßen. Er starrt über die Weite des Platzes zurück. Sieht einen vier Jahre alten Jungen vor einem umgestürzten Tisch sitzen und mit weit aufgerissenem Mund nach seinem Papa schreien.
    Einen Augenblick lang ist er hin- und hergerissen. Regungslos vor Unentschlossenheit.
    Eine Gestalt stürzt durch die Türen ins Freie. Sie ist von Kopf bis Fuß in Schwarz gekleidet.
    Neue Schreckensschreie werden laut, als der Schatten aus den Tiefen von Gottes Haus gesprungen kommt: einen silbernen Blitz in der linken Hand, Flecken auf dem Griff, Nässe auf der Brust …
    McAvoy bleibt keine Zeit, die Arme zu heben. Er sieht die Klinge emporzucken. Herabschießen. Und dann liegt er auf dem Rücken und starrt in den düsterer werdenden Himmel, während
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