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Stella Menzel und der goldene Faden (German Edition)

Stella Menzel und der goldene Faden (German Edition)

Titel: Stella Menzel und der goldene Faden (German Edition)
Autoren: Holly-Jane Rahlens
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«Bauer?», lachten sie. «Du meinst Bauarbeiter!» Mats drückte Stella dann immer ganz fest. «Mein Rottopf», sagte er stolz. «Mein Rottopf.»
    «Topf?», lachten die Kinder. «Du meinst Kopf!»
    Jetzt aber tobten Stella und Mats mit der Decke über ihren Köpfen zwischen den Gartenzwergen herum. Sie rochen das Gras, frisch und erdig. Unter ihren nackten Füßen schien der Boden nachzugeben wie eine besonders saftige, riesige Schokoladencremetorte. Die Erwachsenen plauderten am Tisch unter dem Aprikosenbaum hinter dem Geräteschuppen, und die Eiswürfel klirrten in ihren Gläsern.
    Stella und Mats, die vom Herumtollen schon ganz dusselig waren, genossen das schwindelige Gefühl in vollen Zügen. Aber da wurden sie plötzlich durch Gebell aus ihrem übermütigen Spiel gerissen. Knurren. Schweres Keuchen. Die Decke wurde weggezerrt.
Wutsch
! Und Stella und Mats sahen sich zwei grimmigen Drachen gegenüber … na gut, es waren zwei Schäferhunde – aber immerhin. Die Tiere fletschten ihre spitzen, furchteinflößenden Zähne und schnappten nach ihnen. Stella spürte den heißen, feurigen Atem auf ihrem Gesicht, roch den fauligen Monstergestank. Sie schrie. Ihr Vater, Mikhail, erschien neben den Kindern und hob sie eilends hoch. Die Hunde folgten ihm und knurrten.
    «Weg mit euch!», rief Netti, die Tagesmutter, die herbeigerannt war.
    Aber die Hunde liefen nicht davon. Stattdessen spielten sie Tauziehen mit der Decke. Sie rannten mit ihr davon und sprangen mit ihren dreckigen Pfoten auf ihr herum. Sie sabberten darauf und schlenkerten sie hin und her wie den Hals eines Vogels. Die Decke zerriss –
zzsscchhtt
. Noch einmal und noch einmal.
Zzsscchhtt
.
Zzsscchhtt
.
    «Pfui! Böse Hunde!», schimpfte Netti und verscheuchte sie.
    Stellas Vater riss der Geduldsfaden. «Пοшли вон!», sagte er knapp auf Russisch, was so viel bedeutet wie: «Haut ab, ihr dummen, verrückten, wilden, deckefressenden, bösen Hunde, die ihr euch für Drachen haltet, und wenn nicht, werdet ihr schon sehen, was euch blüht. Das ist mein Ernst!»

    Die Hunde klemmten den Schwanz ein und rannten winselnd dorthin zurück, von wo sie gekommen waren: in den Garten des Nachbarn.
    Stellas Decke – ihr Schneestern – konnte kaum noch als Decke bezeichnet werden. Stella hatte das Gefühl, als hätte man sie selbst in Stücke gerissen. Mats, dem beim Bücken das blonde Haar über die Walnussaugen fiel, half ihr und ihrem Vater, die Reste aufzuklauben. Er verstand Stellas Verzweiflung. «Mein Rottopf», sagte er und drückte sie fest. «Mein Rottopf.»
     
    Stella wollte Schneestern sofort und heil zurückhaben. Sie sagte sich, wenn Emma, die auch bei Netti in der Gruppe war, ihr Nilpferd über Nacht zurückbekommen hatte, dann müsste es bei ihr und Schneestern doch genauso gut gehen.
    Emma nahm ihr Nilpferd jeden Tag mit zu Netti. Das Plüschtier muffelte leicht nach Spucke, sein beigefarbenes Fell war schmutzig und abgegriffen, und sein rotgelb gestreiftes Kleid war zerrissen und löste sich am Saum auf. Sein rechtes Ohr fehlte, als hätte es jemand mit der Schere abgeschnippelt. Aus Gründen, die Stella nicht nachvollziehen konnte, nannte Emma ihr Nilpferd «Grunz Grunz».
    Eines Tages, als Netti mit den Kindern einen Spielplatz besuchte, ging Grunz Grunz verloren. Netti suchte überall nach ihm, fragte sämtliche Mütter, Kindermädchen, Tagesmütter und Babysitter, die auf dem Spielplatz herumsaßen, ob sie es versehentlich mitgenommen hätten, doch es blieb verschwunden.
    Emma weinte den ganzen Tag.
    Wunderbarerweise jedoch erschien Emma am nächsten Morgen wieder mit Grunz Grunz im Arm. Bei näherem Hinsehen allerdings entdeckten die Kinder, dass es nicht dasselbe Grunz Grunz war, das sie seit zwei Jahren kannten. Es war zu sauber. Und es hatte nicht mehr den schwitzigen, kotzigen Geruch, den es sonst immer hinter sich herzog. Außerdem sah das gestreifte Kleid zu neu aus, und der Saum war in Ordnung. Sogar das fehlende Ohr war wieder vorhanden.
    «Das Ohr ist da», stellte Stella fest.
    «Grunz Grunz war im Krankenhaus», erklärte Emma den anderen mit großem Ernst. «Sie haben das Ohr op-riert.»
    «Welches Krankenhaus?», fragte Stella, die viele kaputte Spielsachen hatte, die operiert werden mussten.
    «Spielemax», sagte Netti.
     
    «Oh-ooh», sagte Stellas Mutter, Isabel Zwickel-Menzel, als ihr Mann und ihre Tochter mit der dreckigen und zerfetzten Decke von Nettis Schrebergarten zurückkamen. «Ich glaube, jetzt müssen
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