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Steinfest, Heinrich

Steinfest, Heinrich

Titel: Steinfest, Heinrich
Autoren: Wo die Löwen weinen
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lassen und in der Folge begonnen, die
Rolle einiger bedeutender Herren in dieser Sache zu untersuchen. Und das,
obwohl er mehrmals aufgefordert worden war, Ruhe zu geben. Offiziell wie unter
vier Augen. Dazu kam, daß Rosenblüt in einem anderen Fall, dem sogenannten
Zweiffelsknoter Skandal, die Machenschaften des BND aufgedeckt hatte, nicht zu
aller Freude, wenngleich Rosenblüt dabei das Herz der Öffentlichkeit erobert
hatte. Aber öffentliche Herzen sind die, die rasch verwelken, verschrumpeln,
zerbröseln, und als Rosenblüt aus Stuttgart verbannt und nach München geschickt
wurde, war da kaum einer gewesen, den das aufgeregt hatte.
    Auch Rosenblüt nicht, der froh gewesen war, aus der
Landeshauptstadt fortzukommen, allerdings aus eher privaten Gründen. Er war
ein gutaussehender Mann, so in der Robert-Redford-Richtung, blond und kompakt,
wie einem After-Shave-Flakon entstiegen - und jemand, der diesen Vorteil zu
nutzen wußte. Doch leider nicht optimal, wenn man das Optimale als das
Ganzheitliche sieht. Denn in all den Jahren in Stuttgart hatte er sich
schwergetan, eine Beziehung ordentlich zu Ende zu führen. Beziehungsweise war
er der absurden Theorie gefolgt, durch das Betreiben einer neuen Beziehung
automatisch die alte erledigt zu haben, was ein Irrtum ist, ein bekannter.
Viele kennen ihn und machen fröhlich weiter.
    Mit seinem Wechsel nach München hatte Rosenblüt somit
nicht nur viele verwelkte, sondern auch einige blutende Herzen zurückgelassen.
In der neuen Stadt hingegen begegnete er einer Frau, die ihn von genau dieser
Unart heilte, indem sie seine absolute Treue einforderte. Nun, das hatten die
meisten anderen ebenfalls getan. Aber diesmal war es anders. Rosenblüt erkannte
nicht nur den tiefgehenden Reiz dieser Person, er erkannte vor allem, in einem
Alter angelangt zu sein, in dem von allen Winkeln aus, erst recht dem Winkel
der Liebe, die Gefahr der Lächerlichkeit drohte. Eine Frau mußte
absolut genügen. Und diese eine genügte ja auch: Sie hieß Aneko, Aneko Tomita,
aus Kyoto stammend, fünfzig Jahre schön, ein Gesicht wie aus einer Billardkugel
herausgeschnitzt. Sie war einst eine erfolgreiche Judokämpferin gewesen,
Teilnehmerin an zwei Olympischen Spielen, hatte dem Sport aber mit einer
gewissen Verachtung den Rücken gekehrt, um nach Europa und in die Fotografie zu
wechseln, Modefotografie, Architekturfotografie und manchmal auch Sachen, die
man als Pornografie bezeichnet hätte, hätte man sie nicht als Kunst bezeichnen
müssen.
    Rosenblüt kümmerte sich nicht um die Arbeit seiner
Freundin. Und sie sich nicht um die seine. Die beiden hatten zu wenig Zeit
füreinander, um sich auf diese Weise zu belästigen, den eigenen Kram, die eigene
Bedeutung ausbreitend. Nein, wenn sie zusammen waren, dann genossen sie die
Stunden: Essen, Natur, Liebe, manchmal Kino, manchmal Einkaufen, manchmal ein
bißchen Fesseln, ohne jedoch übers Ziel hinauszuschießen. Die gemeinsame
Wohnung, die eher in die japanische Richtung tendierte, wurde von einer älteren
Dame in Schuß gehalten, die im Nachbarhaus wohnte und als eine der größten
Jägerinnen von Staub in die Geschichte hätte eingehen müssen, wäre je eine
solche Geschichte geschrieben worden. Aber leider wurde Geschichte nun mal von
Mördern geschrieben, nicht von Putzfrauen.
    "Bin ich die Liebe deines Lebens?" fragte Aneko
gerne.
    "Absolut", antwortete Rosenblüt ebenso gerne. Es
war somit alles in bester Ordnung.
     
    Daß es bei dieser Ordnung nicht bleiben würde, begriff
Rosenblüt in dem Moment, als da der Hund vor ihm stand.
    "Verdammt, Lauscher, was tust du hier?!"
entfuhr es Rosenblüt mit einem Stöhnen angesichts einer Kreatur mit langen
Ohren und kurzen Beinen, die etwas schräg nach außen standen, die Beine, um den
angefetteten Körper stabil zu halten. Der Hund erinnerte an einen Zwerg, der
früher einmal ein Kraftsportler gewesen war, Ringer oder Gewichtheber, und
dessen Kraft nun gerade noch ausreichte, selbst das Gewicht zu sein und von der
Erde getragen zu werden. Gewichte sind in der Regel eher statische Objekte,
weshalb solche Zwerge oder Hunde es vorziehen, stillzustehen.
    Auch dieser Hund stand still und schaute aus seinen von
Schäferhundohren flankierten Dackelaugen zu Rosenblüt hoch. Rosenblüt war bei
diesem Anblick automatisch der Name Lauscher eingefallen - Lauscher, so hatte
der Hund von Markus Cheng geheißen, einem Wiener Privatdetektiv chinesischer
Abstammung, der in der BND-Geschichte eine entscheidende Rolle
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