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Stehaufmaennchen

Stehaufmaennchen

Titel: Stehaufmaennchen
Autoren: Markus Maria Profitlich
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Zahnarzt die Zange in den Mund gesteckt hat, hab ich sie ein paarmal gebissen.
    Mama kommt rein. Sie zieht die Oropax aus den Ohren und lobt mich, weil ich so still und tapfer war. Beschließe, nie wieder zum Zahnarzt zu gehen. Am Nachmittag darf ich zur Belohnung einen Eisbecher. Da meine Backe aber um das Zehnfache angeschwollen ist, kriege ich meinen Mund nicht auf.
    Schaue zu, wie das Eis schmilzt.

4. Einschulung
10. Juli 1966
    Heute muss ich zu einem Test. Ob ich schon alt genug bin für die Schule. Denn wenn man Arzt werden möchte oder Professor, muss man zur Schule gehen. Ich will aber gar nicht zur Schule gehen. Denn ich will weder Arzt noch Professor werden, sondern Schmied. So wie der alte Johannes aus dem Dorf.
    Johannes ist bestimmt schon hundert. Johannes kann viel. Er kann Pferden die Hufeisen annageln und, wenn es sein muss, ihnen auch mal einen Dorn aus dem Fuß ziehen. Nur schreiben kann er nicht. Denn Johannes war nie in der Schule, wie man im Dorf erzählt. Trotzdem ist er Schmied geworden. Warum soll ich also in die Schule, wenn ich direkt Schmied werden kann? Mama lässt nicht mit sich reden. Schule sei Pflicht und außerdem etwas Wunderbares. Sie wäre auch zur Schule gegangen und hätte es nie bereut. Frage Mama, warum sie dann kein Arzt geworden ist, oder Professor. Mama meint, sie hätte jetzt keine Zeit mehr, mit mir zu reden, und ich solle mich umziehen.

    Der Test findet in der Schule statt. Mama geht mit mir in ein Zimmer, in dem ein dickes Frollein auf uns wartet. Das Frollein fragt mich, wie ich heiße und ob ich ein Junge oder ein Mädchen sei. Antworte, dass ich Maria heiße und ein Junge bin. Und wie sie denn heißt, und ob sie denn ein Mädchen oder ein Junge sei. Weil Mädchen ja normalerweise keinen Bart haben. So wie das Frollein. Das Frollein schaut Mama fragend an. Mama meint, ich hätte eben eine gute Beobachtungsgabe. Das stimmt, denn als wir uns setzen beobachte ich, wie dem Frollein eine Naht an ihrem Kleid aufplatzt, und frage sie, warum sie so dick ist. Das Frollein schaut Mama jetzt böse an und sagt, die Erstbefragung sei vorbei und jetzt käme ein Sehtest und dann ein Hörtest. Sie fummelt an ihrer geplatzten Naht herum und meint, sehen könnte ich ja gut, das hätte sie schon bemerkt. Deswegen könnten wir direkt den Hörtest machen.
    Ich muss mich umdrehen und immer aufzeigen, wenn das Frollein in eine Flöte reinpfeift. Die Flöte ist wirklich sehr leise und kaum zu hören. Aber jedes Mal, wenn das Frollein hineinpustet, atmet sie vorher keuchend ein. Das kann ich gut hören und zeige immer auf, wenn ich das Keuchen höre. Nach dem Hörtest darf ich mich umdrehen. Das Frollein hat vor lauter Pusterei einen roten Kopf und meint, ich hätte ein sehr gutes Gehör. Mama tätschelt mir stolz den Kopf.
    Dann muss ich einen Satz nachsprechen. Aber in richtiger Reihenfolge. Das Frollein sagt: »Du nach Hause gehst jetzt.« Ich antworte, dass der Satz so richtig sei. Nein, der Satz sei falsch so und ich soll ihn richtig sagen. Ich sage: »Du nach Hause gehst jetzt.« Das Frollein wird etwas böse. Ich auch und wiederhole: »Du nach Hause gehst jetzt.« Das Frollein meint, niemand würde so verdreht sprechen. Dass stimmt nicht, denn Winnetou spricht so. Winnetou sei eine Romanfigur und würde in echt gar nicht leben. Bin entsetzt. Winnetou soll nicht echt sein? Ich habe Bilder von ihm gesehen. Im Fernsehen.Und alle sagen, was im Fernsehen läuft, ist echt! Das Frollein wird laut und sagt streng: »Du gehst jetzt nach Hause!« Stehe artig auf und will nach Hause gehen. Mama hält mich gerade noch zurück.
    Dann erzählt mir das Frollein eine Geschichte. Von einem Hasenpapa, der aufs Feld geht und für die Hasenmama und die Hasenkinder Möhren ausgräbt. Das war‘s. Habe nie im Leben eine langweiligere Geschichte gehört. Und dann soll ich sie noch nacherzählen. Schmücke die Geschichte etwas aus. Der Hasenpapa geht los, wird aber auf dem Feld von bösen Apachen angegriffen. Am Marterpfahl wird er gefoltert und verrät unter Qualen das Versteck seiner Familie. Die Apachen reiten los, um die Hasenmama zu einer Squaw zu machen, doch der Hasenpapa kann sich befreien und richtet unter den Apachen ein Blutbad an. Am Ende haben sich alle lieb und der Hasenpapa schenkt seiner Frau einen frischen Apachenskalp. Das ist eine Geschichte! Das Frollein schaut mich entsetzt an. Mama tätschelt mir den Kopf und lobt meine Phantasie.
    Am Ende muss ich dem Frollein noch zeigen, dass ich auf
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