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Startschuss

Startschuss

Titel: Startschuss
Autoren: dtv
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Schulen des Landes teilgenommen hatten.
     Mit einem minimalen Rückstand hatte Michael die Goldmedaille im Mehrkampf verpasst. Und seine Silbermedaille genügte nicht
     für den Bundesausscheid.
    Der spätere deutsche Schulmeister war gerade mal 50   Punkte besser als Michael und natürlich niemand anderes gewesen als Tom vom Grünheim-Gymnasium.
    Egal welcher Wettkampf auch ausgetragen wurde, wenn beide Schulen anwesend waren, kämpften sie immer um den 1. und 2.   Platz. Zurzeit führte in der Gesamtstatistik das Grünheim-Gymnasium mit leichtem Vorsprung.
    Michael brannte darauf, Tom zu schlagen. Zum ersten Mal gab es einen echten Zehnkampf und Michael war überzeugt, darin siegen
     zu können.
    Mitleidig schaute Lennart Michael an. Er selbst hatte sich ja für den Sprint gemeldet und wusste, wie fit man sein musste,
     um den Lauf zu bestehen. Selbst wenn Michael nur den Sprint der Zehnkämpfer lief, der naturgemäß erheblich langsamer war als
     der Lauf der echten Sprinter. Die Sprintstrecken gehörten ohnehin nicht zu Michaels Stärken. Michael war ein Athlet, der besonders
     gut die Wurfdisziplinen und den Weitsprung beherrschte, als Läufer aber eher eine ziemlich lahme Ente war – zumindest im Vergleich
     zu Lennart.
    Michael krümmte sich und stöhnte.
    Frau Kick legte ihre Hand auf seine Schultern. »So schlimm?«
    »Magenkrämpfe«, brachte Michael mühsam heraus. »’tschuldigung!« Und schon rannte er, den Oberkörper leicht vornübergebeugt,
     die Hände auf den Bauch gepresst, zurück zur Toilette.
    Nun war auch Frau Kick klar, dass die Aufregung allein nicht solche Magenschmerzen hervorrief. Sie drehte sich noch einmal
     zu Lennart: »Ihr anderen geht zur Aufstellung. Ich werde Michael zum Sanitäter bringen.«
    Lennart nickte ihr zu und lief zu den Freunden, wo ihn schon die nächste Überraschung erwartete.
    »Jabalis Rucksack ist weg!«, empfing ihn Linh.
    »Wie weg?«, fragte Lennart.
    »Weg! Verschwunden!«, rief Jabali ihm aufgeregt zu. »Hier hat er gelegen!« Er zeigte zu seinen Füßen auf den Boden. »Genau
     hier!«
    »Den klaut doch keiner!«, glaubte Lennart.
    Jabali sah ihm fest in die Augen. »Glaubst du, ich spinne?«
    Das hatte Lennart natürlich nicht sagen wollen. Aber in all der Hektik und dem Gewühl konnte man schon mal vergessen, wohin
     man seinen Rucksack gelegt hatte.
    »Was war denn drin?«, fragte Lennart.
    Jabali überlegte. »Meine Regenjacke.«
    Lennart zischte leise durch die Zähne und schüttelte den Kopf. Es waren 26   Grad im Schatten, der Himmel strahlend blau. Nur ein paar kleine, watteweiße Wölkchen zogen ab und an vorüber. Aber Jabali
     hatte eine Regenjacke dabei!
    »Hier in Deutschland weiß man nie!«, rechtfertigte er sich.
    Lennart musste schmunzeln. Jabali war mit seinen Eltern vor sieben Jahren aus Südafrika nach Deutschland gekommen, weil sein
     Vater eine Arbeitsstelle im Konsulat angenommen hatte. Seine Mutter arbeiteteseitdem hier in Deutschland als Journalistin für verschiedene Magazine in Südafrika. Jabali sprach längst fließend Deutsch,
     sein kleiner Bruder war sogar hier geboren, aber wenn es ums Wetter ging, tat er immer noch so, als wäre er ein Tourist.
    »Vielleicht hat Rasul ihn genommen«, mutmaßte Ilka.
    Jabalis Blick versteinerte sich. Der Gedanke, sein kleiner Bruder könnte in der Nähe sein und ihm auf die Nerven gehen, war
     für Jabali zehnmal schlimmer als die Vermutung, sein Rucksack wäre gestohlen worden.
    »Ist er etwa hier?«, fragte er entgeistert.
    »Weiß ich doch nicht«, gab Ilka gelassen zurück.
    Jabali atmete tief aus. »Mann, jag mir nicht so einen Schrecken ein!«
    Vorsichtshalber schaute er sich noch mal schnell um, ob die kleine Nervensäge nicht doch irgendwo auf der Lauer lag. Aber
     von Rasul war weit und breit nichts zu sehen.
    »Was hast du immer gegen deinen kleinen Bruder?«, fragte Ilka nach. »Der ist doch süß.«
    »Ich schenk ihn dir zu Weihnachten«, antwortete Jabali. »Wenn er bei dir wohnt, finde ich ihn bestimmt auch süß.«
    Ilka stellte sich einen Moment lang ernsthaft vor, wie es wäre, wenn der kleine, sechsjährige Rasul bei ihr wohnen würde,
     bis sie feststellte: »Wir haben leider keinen Platz.«
    Jabali suchte längst schon wieder seinen Rucksack und wusste gar nicht mehr, wovon Ilka sprach.
    »Ist das nicht deiner?« Ilka hielt einen Rucksack mit zwei Fingern in die Höhe, den sie neben einem Papierkorb gefunden hatte.
    »Ja!«, freute sich Jabali und wunderte sich
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