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Stalingrad - Die Einsamkeit vor dem Sterben

Stalingrad - Die Einsamkeit vor dem Sterben

Titel: Stalingrad - Die Einsamkeit vor dem Sterben
Autoren: Christoph Fromm
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Bataillonskommandeur war schwer verwundet, es gab Kompetenzstreitigkeiten. Zwei rußverschmierte Heizer, die rechtzeitig vom Zug gesprungen waren und hinter einem Gebüsch Deckung gesucht hatten, forderten mit blutunterlaufenen Augen, sofort in ein Lazarett transportiert zu werden, obwohl sie keinen Kratzer davongetragen hatten. Leutnant von Wetzland herrschte sie an, endlich mit den Löscharbeiten zu beginnen. Vergeblich versuchte er, Ordnung in das Chaos zu bringen, bis ihm ein anderer Leutnant ein Pflaster für seine Stirnverletzun g reichte und das Kommando übernahm.
    Erschöpft sank er auf das abgerissene Rad eines Waggons und presste die Hände vors Gesicht. Es war alles so schnell gegangen. Er hatte keine Möglichkeit gehab t, etwas zu unternehmen. Die Explosion. Seine Finger zitterten so stark, dass die Nägel helle Striemen in der blutverschmierten Haut hinterließen. Er hatte keine Angst mehr; er schämte sich.
    Zwei Lastwagen waren von d en Waggons heruntergefahren worden, wurden betankt und mit den Verwundeten beladen. Man teilte Wachmannschaften ein. Ein paar Landser begannen die Gleise zu reparieren.

 
     
     
     
     
     
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    A m Abend erhielten sie unerwartete Verstärkung. Kampfgruppenkommandant Roschmann im Range eines Sturmbannführers stieß mit einer motorisierten SD-Einheit und einigen Kosakenhilfsverbänden zu ihnen, nicht etwa, um beim Schienenbau zu helfen, sondern um den restlichen Partisanen, die sich angeblich in einem Waldgebiet zwanzig Kilometer nördlich verschanzt hatten, auf den Leib zu rücken. Er war auf der Suche nach Freiwilligen.
    Die zwei älteren Leutnants, die den Überfall schadlos überstanden hatten, beide mit Russlanderfahrung, lehnten unter Hinweis auf die dringenden Schienenarbeiten mürrisch ab. Rollo sah seinen Leutnant herausfordernd an und wandte sich dann an die anderen.
    »Kommt schon. Das sind wir den Kameraden schuldig.«
    Der Leutnant starrte Rollo wütend an. Er hielt nichts von der SS, obwohl er im Grunde nicht viel über sie wusste. Aber nach Rollos Äußerung, da war er sich sicher, würde er vor seinen Untergebenen für immer als Feigling dasteh en, wenn er nicht an diesem Kommando teilnahm. So trat er entschlossen vor und meldete sich und seinen gesamten Zug beim Sturmbannführer.
    Der nahm es mit einem herablassenden Nicken zur Kenntnis und forderte ihn auf, ihm zur Lage besprechung zu folgen. Von Wetzlands Zug erhielt eine Sonderzuteilung Wodka, doch die Lust der meisten Soldaten hielt sich trotzdem in Grenzen.
    Fritz fluchte. Zu spät erkannte der Leutnant, dass er einen Fehler gemacht hatte. Die Mehrzahl der Männer hätte gern auf diese Sonderaktion verzichtet. Er fragte die beiden anderen Leutnants, wieso sie abgelehnt hatten, und erhi elt als Antwort nur ein vieldeutiges Achselzucken.
    Die Besprechung mit Roschmann geriet kurz und sachlich. Der Plan des Sturmbannführers war einfach. Er gedachte, mit seinen vier Abteilungen in der Nacht einen konzentrischen Kreis um das Waldgebiet zu legen, dann würden sie sich langsam auf die zwei durch Gefangenenaussagen erkundeten Walddörfer zubewegen. Sein Bleistift tippte lässig auf einige Punkte auf der Karte. Sechs Uhr fünfzehn, Angriff.
    Leutnant von Wetzland fragte zaghaft, ob es denn nicht gefährlich sei, sich bei Nacht in den Wald zu wagen. Roschmann lächelte überlegen. Wer Partisanen fangen wolle, müsse vor allem schnell sein. Seine Kosaken seien ortskundig und absolut zuverlässig. Außerdem hätten sie einen hervorragenden Trick, um Minen auszumachen.
    Er gratulierte dem jungen Leutnant zu seiner Entscheidung und stieß zum Abschied mit ihm auf eine erfolgreiche Jagd an. Hans von Wetzland bemerkte, dass er auffallend schöne, zarte Hände hatte, die ihn flüchtig an seine Verlobte erinnerten.
    Wenig später erfuhr er, was Roschmann unter einem Trick verstand. Die Kosaken setzten beim Betreten des Waldgebiets ein Pferdegespann an die Spitze seines Zugs, das eine Egge hinter sich herschleifte. Auf die Egge wurde ein geknebelter gefangener Partisan mit zusammengebundenen Füßen gestellt. Er hatte die undankbare Aufgabe, das Minensuchgespann zu lenken, während einer der Kosaken ein Seil in der Hand hielt, dessen anderes Ende um den Hals des Gefangenen geknotet war. Die Kosaken schätzten seine Überlebenschancen offenbar gering; sie nahmen noch drei Partisanen als Reserve mit.
    Hans von Wetzland wollte sich über diese völkerrechtswidrige Behandlung der Gefangenen bei Roschmann
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