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Stalingrad - Die Einsamkeit vor dem Sterben

Stalingrad - Die Einsamkeit vor dem Sterben

Titel: Stalingrad - Die Einsamkeit vor dem Sterben
Autoren: Christoph Fromm
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Verbandsrolle immer wieder entglitt.
    Der Leutnant stand noch immer wie gelähmt und starrte auf das zerstörte Gesicht von Glotz. Tränen füllten seine Augen. »Der Zug … Meine Männer …«
    Er hörte das Knallen der Gewehrschüsse genauso wenig wie das Pfeifen der Kugeln, die knapp an seinen Ohren vorbeijagten.
    Rollo riss ihn zu Boden. »Flennen können Sie später! Schnell, dort rüber!«
    Der Leutnant war auf einmal weit weg. Er war fünf Jahre alt und lief durch den Garten seiner Eltern, mit Pfeil und Bogen, die er zum Geburtstag geschenkt bekommen hatte. Nur so zum Spaß legte er auf einen Vogel an, der plötzlich schwer verletzt vor seinen Füßen zappelte, er hörte seine Mutter nach ihm rufen und schob den Vogel unter ein Gebüsch, wo er weiterzappelte, und lief zurück, in dem neuen Sommeranzug, den er ebenfalls zum Geburtstag geschenkt bekommen hatte und der bei jedem Schritt auf der Haut scheuerte, und als er später noch mal nach dem Vogel sah, war er weg, und er redete sich ein, dass nichts passiert war. Gar nichts.
     
    Rollo schüttelte ihn wütend. »Was soll der Scheiß? Sie haben keinen Ihrer Männer gekannt!«
    Er holte kurz aus und schlug zu. Einmal links, einmal rechts.
    Hans von Wetzland starrte ihn sprachlos an. Relikte aus seiner Ausbildungszeit, die sich in Begriffen wie Zucht, Ordnung, Disziplinarverfahren manifestierten, zuckten in ihm auf.
    Rollo sah es und war zufrieden. Der Leutnant war wieder halbwegs da. »Bringen Sie mich später vors Kriegsgericht.« Er packte seinen Vorgesetzten am Arm, zerrte ihn zu Fritz und Edgar und riss die beiden von dem Schwerverletzten weg. »Seht ihr nicht, dass er längst weg is. Kommt schon!«
    Fritz versuchte, mit blutigen Händen die Wunde abzubinden. »Er lebt noch, Mensch!«
    »Los, rüber, ans sMG, oder wir sind alle am Arsch! Partisanen!«
    Eine Handvoll Reiter galoppierte hinter einer Bodensenke hervor.
    Die Geschützbedienung versuchte vergeblich, die aus der Verankerung gerissene Vierlingsflak auf die Angreifer zu richten. Überall wurde nach Munition gebrüllt.
    Fritz und Edgar starrten entsetzt auf die herangaloppierenden Reiter. Jeder von ihnen hatte sch on von massakrierten Trossen gehört.
    Der Leutnant begriff als Erster, was Rollo vorhatte, und lief zu einem schweren Maschinengewehr, das mitsamt der Lafette vom Zug gefallen war. Rollo trieb Edgar und Fritz an, das sMG aufzustellen und Munition herbeizuschaffen.
    Aus dem Wald rechts vor ihnen tauchte eine zweite Reitergruppe auf. Einige der Angreifer trugen erbeutete SS -Uniformen. Nur wenige hatten Gewehre oder Revolver, die meisten waren mit Säbeln bewaffnet. Einige schwangen Holzknüppel.
    Fritz und Edgar schleppten Munitionskisten heran, Rollo legte den Gurt ein, knallte den Verschlussdeckel zu, riss den Abzug durch. Die kurze Garbe stach hoch über die heranstürmenden Reiter in den blassen Himmel.
    Rollo grinste den Leutnant an. »Funktioniert. Kopf runter, Herr Leutnant!«
    Hans von Wetzland duckte sich. Die Partisanen waren jetzt bis auf hundert Meter heran. Fritz schluckte. Achtzig Meter. Rechts von ihnen begann eine MPi zu rattern, knallten Gewehrschüsse.
    »Mach … mach endlich!«
    Rollo ließ sie noch zwanzig Meter näher herankommen, dann begann er zu schießen. Das Dauerfeuer zeigte verheerende Wirkung. Getroffene Pferde und Reiter wälzten sich im Steppengras, auf die kurze Entfernung klangen ihre Schreie überlaut. Rollo presste die Kiefer zusammen, feuerte weiter.
    »Haut doch ab. Haut ab«, flüsterte Fritz.
    »Schauen Sie weg, Reiser! Schauen Sie weg!« Der Leutnant drehte Fritz’ Kopf, der wie gebannt auf die sterbenden Pferde blickte, in eine andere Richtung.
    »Hört endlich mit der Rumballerei auf!«, brüllte ihnen ein Feldwebel zu. »Die haben genug!«
    Er hatte recht. Die unzureichend bewaffneten Partisanen flohen. Fritz starrte auf ein getroffenes Pferd, das sich auf der Hinterhand, mit aufgerissenem Maul, in dem die Zähne besonders groß aussahen, auf die Trümmer der Waggons zuschleppte.
    »Mein Alter hat auch Pferde«, sagte er leise. »Ich musste sie jeden Samstag striegeln … Hab die Viecher immer gehasst …«
    »Is ja gut, gleich vorbei …« Rollo richtete die Mündung auf das Pferd, schoss, das Tier bäumte sich ein letztes Mal auf, fiel zur Seite.
    Der Leutnant und Edgar kümme rten sich um die Verletzten. Edgar brüllte verzweifelt nach Sanitätern, aber niemand kam, da es weiter vorn noch mehr Ausfälle gegeben hatte.
    Der
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