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Staatsanwalt sucht  Polizist

Staatsanwalt sucht Polizist

Titel: Staatsanwalt sucht Polizist
Autoren: N. Schwalbe
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du was zum Schreiben?“
    Stift und Papier hatte ich mir bereits zurechtgelegt und schrieb eilig mit, was Julia diktierte. Sie war wirklich eine hervorragende Köchin und hatte so gut wie alle Rezepte im Kopf. Nicht, dass sie das Hausmütterchen schlechthin war, im Gegenteil, ich kannte Julia aus dem Jurastudium und da paukten wir noch zusammen Definitionen und Prüfungsschemata. Mir war zwar immer ein Rätsel gewesen, wie sie das Lernen neben dem Windelwechseln noch geschafft hatte, aber irgendwie war das für sie nie ein Problem gewesen.
    Nachdem wir das Gespräch beendet hatten – Marie hatte mir das halbe Ohr abgeschrien, als Julia den Hörer weggenommen hatte – nahm ich meine Tasche und eilte aus meiner Zwei-Zimmer-Wohnung.
    Jürgen wohnte nur zwei S-Bahnstationen weiter. Fünfzehn Minuten später begrüßten wir uns mit einer kurzen Umarmung und gingen in seine hochmoderne Küche. Eines musste man Jürgen lassen, er hatte wirklich Geschmack, zumindest was seine Einrichtung betraf. Was Männer anbelangte, kamen wir uns nicht in die Quere.
    „Hast du das Rezept von der Vinaigrette mitgebracht, Marten?“ Jürgen zog einen seiner Apothekerschränke hervor und holte eine große Salatschüssel heraus.
    „Klar, ich hoffe, du hast alles im Haus. Du brauchst Olivenöl und diesen leckeren französischen Dijonsenf. Hast du den da?“
    Jürgen nahm mir den Zettel ab und runzelte die Stirn. Dann ging er zum Kühlschrank und wühlte darin herum. Triumphierend hielt er ein kleines Gläschen mit schwarzem Deckel in die Höhe. „Meinst du das hier?“
    Ich nickte. Es stand zumindest Dijonnaise drauf.
    Schnell rührte Jürgen alles zusammen, was ich notiert hatte. „Sei so lieb und schneide die Kartoffeln in zwei Hälften. Dann träufelst du etwas Öl und Kräutersalz drauf. Alles muss auf den beiden Backblechen verteilt werden und bei hundertsiebzig Grad in den Ofen..
    Schweigend standen wir in der Küche und bereiteten Jürgens kleine Geburtstagsfeier vor.
    Als wir fertig waren, überreichte ich Jürgen mein Geschenk – ein Buch über Homosexualität im Mittelalter mit selbstgemachtem Ledereinband, damit niemand in der Bahn erkennen konnte, was Jürgen auf dem Weg zu Arbeit las – worüber er sich riesig freute.
    Nach und nach trudelten auch die übrigen Gäste ein. Es kam nicht eine einzige Frau, dennoch hatte ich das Gefühl, es war keine Party für Männer. Wie ich bereits erwähnt habe, stand Jürgen eher auf tuffige Homos und kostete das seit seinem Coming-out vor ein paar Jahren auch ordentlich aus. Unter seinen Gästen war wirklich alles vertreten. Kurze Haare, lange Haare, Locken oder Glatze; lilafarbene Hemden, rosafarbene Hosen oder gar kurze Miniröcke. Als Klaus die Wohnung betrat, musste ich schmunzeln und drehte mich weg. Klaus war Jürgens ältester Freund und ebenfalls Richter. Sie hatten sich vor vierzig Jahren beim Studium kennengelernt und nie aus den Augen verloren. Er hatte wunderschöne silbergraue Haare und einen kurzen Vollbart. Mit seinen braunen Augen sah er aus wie Sean Connery – allerdings die schwule Variante. Er trug eine türkisfarbene, enge Lederhose, ein königsblaues Hemd mit rosafarbenen Blümchen und eine orangefarbene Federstola. Sein quietschkanariengelber Cowboyhut baumelte bereits an einem Garderobenhaken. Er verschwand gleich nach seiner Ankunft im Gäste-WC und kam zehn Minuten später wieder heraus – komplett geschminkt. Er sah aus, als wäre er in die Schminkpalette einer Visagistin gefallen und grinste dabei bis über beide Ohren. Er bemerkte, dass ich meinen Mund bei seinem Anblick nicht mehr zubekam.
    „Hallo Marten“, flötete er.
    Ich nickte nur. Ich konnte nicht sprechen. Nicht ein Ton verließ meine ungeschminkten Lippen. Mir fiel kein deutsches Wort mehr ein. Gab es so etwas wie eine Schock-Amnesie? Wenn ja, dann litt ich daran. Ich brauchte erst einmal was Hartes, also zu trinken, meine ich.
    Kurt kam in den Flur und bot mir einen Cocktail an. „Sex on the Beach, Marten. Der wird dir die Schuhe ausziehen … und hoffentlich noch etwas mehr.“ Vielsagend reichte er mir ein Glas.
    Ich lächelte ihn etwas unsicher an und stürzte seinen Cocktail in einem Zug runter.
    „Mann, Junge! Du gehst ja ran heute … Die Dinger sind was zum Genießen. G-E-N-I-E-S-S-E-N!“
    Ich nickte und verschwand mit dem leeren Glas im Wohnzimmer. Ah, der Alkoholanteil war hoch genug. Super. So langsam entspannte ich mich. Ich mochte Jürgen wirklich gerne, aber seine Partys waren
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