Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Staatsanwalt sucht  Polizist

Staatsanwalt sucht Polizist

Titel: Staatsanwalt sucht Polizist
Autoren: N. Schwalbe
Vom Netzwerk:
ihrer Hand.
    Katja öffnete den Mund, um ihm zu antworten, aber es kam nichts heraus. Ich fühlte mich gerade wie ein Außerirdischer mit einer ganz besonders seltenen Krankheit. Nur statt in der Mondklinik war ich auf dem falschen Planeten gelandet. Ich meine, wir schrieben das Jahr 2008, Homosexualität war gesellschaftlich anerkannt, oder etwa nicht? Na gut, wenn ich ehrlich war, konnte man sich seit den Siebzigern zwar mit einem anderen Mann an der Hand auf die Straße trauen, ohne ausgepeitscht zu werden, aber wirklich anerkannt war Homosexualität nicht. Mein Onkel gab das beste Beispiel ab.
    „Also, was ist, Marten?“, hakte nun Georg, Klarissas Mann, nach.
    „Nun lasst doch mal den Jungen in Ruhe“, schimpfte meine Mutter und fummelte nervös an ihrer Kaffeetasse herum.
    „Ist schon gut, Mama“, versuchte ich sie zu beruhigen. „In meinem Beruf kenne ich natürlich alle möglichen Leute, auch Schwule und Lesben. In Hamburg ist das nichts Außergewöhnliches! Homosexualität ist kein Verbrechen, der Missbrauch von Kindern schon. Das sind zwei ganz unterschiedliche Dinge, Onkel Gerd! Es gibt sogar Gerüchte, dass die Hamburger Polizei überflutet ist mit homosexuellen Beamten.“
    „Also nee, echt, Marten! Was erzählst du da für einen Quatsch. Das lass niemanden hören. Das könnte dich sonst deinen Job kosten.“ Onkel Georg griff stirnrunzelnd nach seiner Kaffeetasse. Vielleicht war es besser, das Thema zu wechseln.
    Doch Jonas zog noch immer am Ärmel seiner Mama. „Mama!“
    Thomas räusperte sich. „Jonas, das ist Erwachsenenkram und du bist jetzt still und isst deine Kekse..
    Dankbar lächelte Katja ihn an.
    „Soll der Junge etwa blöd sterben? Sagt im ruhig, dass es so abartige Gesellen unter den Menschen gibt, dir ihr Ding in den Po von ihren Artgenossen stecken.“ Onkel Gerd griff nach seiner Serviette und schnäuzte sich damit die Nase. Entsetzt reichte Gerlinde ihm ein Taschentuch. Das steckte er nickend in seine graue Stoffhose, ohne es zu benutzen. Es herrschte Totenstille im Raum.
    „Was sind Artgenossen, Papa?“, fragte Jonas weiter.
    „Menschen, mein Schatz.“ Liebevoll strich Thomas über den Kopf seines Sohnes.
    „Und welches Ding stecken sie in den Po?“
    Ich erhob mich mit hochrotem Kopf und verließ den Raum. Ich wusste ja, dass meine Familie recht verstaubt war, aber einen solchen Gesprächsverlauf hatte ich nicht erwartet. Ich lief die Treppe hinauf in mein Zimmer und holte Katjas Geschenk aus der Reisetasche. Es war ein antiquarischer Kommentar für Strafrecht, den sie schon seit Jahren suchte. Ich hatte ihn irgendwann beim Stöbern in der Grindelallee an der Uni gefunden und gleich zugeschlagen. Langsam schlich ich die Treppe wieder hinunter und betrat das Wohnzimmer. Meine Mutter füllte gerade jedem ein Stück Geburtstagstorte auf den Teller und setzte sich wieder neben meinen Vater.
    „Ah, da bist du ja, Junge! Musstest wohl mal für echte Männer, was?“, tönte Onkel Georg und schlug sich lachend auf die dicken Schenkel.
    Ich lächelte ihn an und unterdrückte meinen inneren  Impuls, ihn mit ein paar schwulen Handbewegungen zu überraschen und zu offenbaren, dass auch ich zu den Aussätzigen gehörte. Stattdessen ging ich zu Katja und legte ihr das  Geschenk auf den Schoß. Dankbar nahm sie es und packte es aus. Als sie es erkannte, sprang sie überrascht auf und fiel mir um den Hals.
    „Oh, Bruderherz! Wo hast du den denn gefunden? Wahnsinn! Seit Jahren suche ich schon nach diesem Kommentar..
    Ich schmunzelte, stolz über meinen Fund und trank meinen Kaffee aus. Sofort war das Gespräch wieder im Gange. Meine Mutter bemühte sich, allgemeine Themen wie Kinder, Kindergarten, Schulbildung, Blumen, Altersversorgung und ähnliches in die Runde zu werfen, und so entkam ich weiteren peinlichen Fragen und Äußerungen meiner Verwandten.
    Nach dem Abendessen verabschiedeten sie sich und ich konnte mich aufatmend zurücklehnen. Katja brachte die Kinder ins Bett und kam eine halbe Stunde später wieder hinunter. Wir öffneten zwei Flaschen von dem Rotwein, den ich mitgebracht hatte und genossen die Ruhe. Meine Mutter werkelte in der Küche herum und mein Vater holte sich seine Flasche Bier aus dem Keller. Thomas leistete ihm Gesellschaft, denn ein ganzer Kerl trank natürlich Bier und keinen Wein. Egal, was ich tat, er machte es anders. Wahrscheinlich hatte er Angst, meine sexuellen Neigungen könnten sonst auf ihn überspringen. Alles in allem war der Abend aber
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher