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Spurschaden

Spurschaden

Titel: Spurschaden
Autoren: Simon Halo
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gewusst.«
    Marc war stolz auf seinen Sohn. Trotz dessen auffällig überdurchschnittlicher Intelligenz hatte er ihn selbst im Kindesalter nie überheblich erlebt. Ja, Thomas prahlte nicht mit seinen Fähigkeiten, und das wusste besonders ein durchschnittlich begabtes Umfeld sehr zu schätzen.
    Die analoge Uhr des Autoradios zeigte 5:53 Uhr. Für gewöhnlich erfolgte die wöchentliche Lieferung gegen 6:45 Uhr – kurz nach der morgendlichen Andacht der Mönche. Doch heute wollte Marc noch in die Stadt, seinen Sohn besuchen. Heute war einer der Tage, an denen der Bauer die Ware seitlich vor dem schweren Tor der Hofeinfahrt des Klosters abstellen würde. Heute war Montag.
    Gerade eben passierte er die letzte Kreuzung – die Stelle, an der man sich entscheiden konnte, noch steiler in Richtung Bergspitze zu fahren oder ins nächste Tal – als ihm ein Licht auffiel: Nicht weit entfernt blitzte etwas zwischen den Bäumen auf, brachte die Schneelandschaft in unregelmäßigen Abständen regelrecht zum Leuchten. Während Marc gespannt Ausschau hielt, geriet sein Lieferwagen immer wieder leicht ins Schleudern. Unbewusst spielte der Fahrer mit Gaspedal und Bremse, fuhr zu unruhig, als dass die drei Räder sicheren Halt fanden.
    Dann plötzlich ein helles Licht. »So wunderschön!«, dachte Marc. Dann Dunkelheit.

5
    »Oh Mann! Schauen Sie uns beide doch an. Ist das denn so schwer zu kapieren? Ich hatte Ihnen deutlich gesagt, dass wir keine weitere Störung ertragen können. Jetzt stellen Sie sich bitte draußen vor diese Tür, und egal, wer oder was da auch kommen mag – die Tür bleibt zu!«
    Der junge Polizist schaute untertänig in Richtung seines nur wenige Jahre älter erscheinenden Vorgesetzten, tat so, als hätte er dessen durch Tränen gefüllten, gläsern wirkenden Augen nicht wahrgenommen, nickte und verschwand hinter der massiven Holztür, die sich daraufhin nahezu lautlos schloss. Die dem ermittelnden Kommissar schluchzend gegenüber sitzende Frau, hatte er sich nicht getraut näher anzuschauen. Nur diese eine schwarze Haarsträhne, die sich offenbar nicht vom weißen Schleier hatte bändigen lassen, blieb ihm noch für einige Sekunden in Erinnerung.
    Polizeihauptkommissar Schlund drehte sich wieder zu seiner Zeugin. »Sicher ist meine Ablösung schon unterwegs. Offiziell fällt das hier ja nicht in meinen Zuständigkeitsbereich«, sagte er. Für einen kurzen Augenblick wurden die heutigen Geschehnisse mit den seit wenigen Tagen vorhandenen Bildern einer Tochter, eines Sohnes überlagert. Bilder, an denen sein Gehirn immer wieder herumbastelte, sie vergeblich zu vervollkommnen suchte. Leblose Reste organischen Materials, das da in irgendeiner Ecke der Gebärmutter seiner Lebensgefährtin langsam vor sich hin faulte. Sie allein hatte über Leben und Tod entschieden, hatte ihn und die reifende Frucht in ihrem Bauch nicht gefragt. Thomas Schlund hasste den Spruch »Mein Bauch gehört mir!« »Mein Bauch gehört uns! So müsste es heißen«, dachte er. Denn sobald da ein ursprünglich nicht vorhandener Teil existent war – in diesem Bauch –, hatte zumindest dieser Teil sehr wohl ein verdammtes Mitspracherecht. Zumal sie den Samen ja freiwillig empfangen hatte. Gegen Verhütung hatte er nichts einzuwenden gehabt, aber diese eine Bedingung hatte er seiner großen Liebe mehr als deutlich gestellt: Wenn das Leben trotz der eigentlich unüberwindbaren Hindernisse einen Weg fände – dann müsse man es gewähren lassen!
    »Bevor wir uns nicht mehr sehen, wiederhole ich das lieber noch einmal: SIE trifft absolut keine Schuld! Und Sie dürfen sich keine Vorwürfe machen! Das ist mein voller Ernst! Ich muss das ganz entschieden sagen, da ich weiß, wie man an so was zerbrechen kann.« Er schaute tief in die grünen Augen von Schwester Marie und spürte, dass sie ihn nicht wirklich ansah. Er kannte das. Man hatte in solchen Momenten die Augen zwar offen, doch man nahm nicht wirklich seine Umgebung wahr – nichts schien real.
    »Ich möchte Sie jetzt eigentlich auch nicht länger ausfragen. Wir sind das ja bereits ausführlich durchgegangen. Dieser nächtliche Besuch der Zwillinge bei Ihnen zum Geburtstag …«, der Kommissar schluckte deutlich. »Einfach nur süß!«
    Es folgten einige lange Sekunden Stille, dann fuhr Kommissar Schlund fort: »Die Aufnahmen der Überwachungskameras im unmittelbaren Ein- und Ausgangsbereich des Internats sind zwar seltsam hell überstrahlt, aber schauen Sie sich bitte die Ausdrucke
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