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Spurlos

Spurlos

Titel: Spurlos
Autoren: Manuela Martini
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Mistkerl, dachte Shane.
    „Detective O’Connor“, drang Alex Wingers laute Stimme wieder durch den Raum, „Sie klopften also an die Tür des Hauses, in dem Sie den Angeklagten, meinen Mandanten, vermuteten? Korrekt?“
    „Wir vermuteten nicht, wir wussten …“ Er brach ab. „Ja, ich klopfte.“
    Ein kaum merkliches spöttisches Lächeln flog über ihr Gesicht ohne ihn wirklich anzusehen. Sie klimperte mit den Armreifen.
    „Sie klopften? Nun: Sie schlugen mit der Faust an die Tür. Mehrmals. Als Ihnen die völlig verängstigte Aborigine-Lady öffnete, zeigten Sie nicht Ihren Ausweis, richtig?“
    „Wir wussten, dass der Mörder im Haus …“
    „Sie zeigten nicht Ihren Ausweis …!“
    Er ballte seine rechte Hand zur Faust. „Nein. Ich zeigte ihn nicht.“
    „Wie war die Reaktion der Frau?“
    „Ich kann mich nicht genau erinnern. Wir standen unter Zeitdruck …“
    Shane sah zum Staatsanwalt hinüber, der nervös auf seinem Sessel herum rutschte. Ganz anders als der Richter in seiner roten Robe, der in seinem Sessel kauerte als ob er schliefe. Wieder das Klimpern der Armreifen.
    „Nun, Detective, ich sage Ihnen, wie Ihre Reaktion aussah: Die Aborigine-Lady war starr vor Schreck. Denn sie verstand nicht, was Sie wollten, sie war nicht in der Lage einzuschätzen, ob Sie von der Polizei waren oder ein Krimineller. Sie trugen weder Uniform, noch zeigten Sie einen Ausweis. Sie stürmten mit gezogener Waffe an ihr vorbei!“ Die Anwältin setzte die Brille auf und zitierte aus ihren Unterlagen: „Die Aussage der Aborigene-Lady: Der Mann mit der Waffe stieß mich an die Wand. Der Mann“, sie sah kurz auf, „das sind Sie, Detektive O’Connor – ich fahre fort“, Sie las weiter: „Ich prallte an die Wand, ich schrie, der Mann mit der Waffe riss die Tür zum Schlafzimmer auf. Ich hörte Poltern und Schreie. Der Mann rief: Auf den Boden, du Schwein! Dann krachte es und ich hörte dumpfe Schläge. Dann kam der Mann mit Muhammad heraus. Muhammad trug Handschellen und blutete aus der Nase und aus dem Mund.“ Sie setzte die Brille ab und sah auf. „Detective O’Connor, Sie haben nicht nur die Aborigine-Lady eingeschüchtert und verletzt, Sie haben auch meinen Mandanten, gegen den zu diesem Zeitpunkt kein Haftbefehl vorlag, körperlich versehrt. Er hatte eine gebrochene Nase und verlor einen Schneidezahn. Gehen Sie bei Ihren Festnahmen immer so vor?“ Provozierend direkt sah sie ihn mit ihren eisblauen Augen an.
    Warum legte dieser verfluchte Staatsanwalt keinen Einspruch ein?
    „Einspruch!“, kam es endlich.
    „Stattgegeben“, brummte der Richter und machte eine müde Handbewegung.
    Die Anwältin räusperte sich. „Sie sind äußerst brutal vorgegangen, Detective. Warum haben Sie nicht Ihre Marke gezeigt und meinen Mandanten einfach festgenommen?“
    Nein, er würde nicht in ihre Falle tappen – er sagte so sachlich er konnte:
    „Sie werden mit Sicherheit meine Akte gründlich studiert und dabei festgestellt haben, dass dieses Vorgehen eine Ausnahme war. Es war Gefahr im Verzug. Es bestand Fluchtgefahr. Wir hatten noch keinen Haftbefehl, weil wir den wichtigsten Hinweis in dem Moment bekamen, als wir uns zwei Straßen vor dem angeblichen Aufenthaltsort des Täters befanden. Da wollten wir nicht zurückfahren.“
    „Sie hätten jemanden benachrichtigen können, Detective. Sie benutzen doch sicher so wi e ich, auch hin- und wieder ein – wie nennt man das Ding, das man inzwischen überall mit herumtragen kann? – Handy, nicht wahr?“
    „Einspruch, Euer Ehren, das …“ Der Versuch des Staatsanwaltes scheiterte kläglich. Eine Handbewegung des Richters ließ ihn verstummen. „Einspruch abgelehnt, fahren Sie fort, Mrs. Winger, aber ersparen Sie uns Ihre Polemik.“
    „Ja, Euer Ehren. Danke.“
    Die Assistentin, die neben Winger stand, in schwarzen langen Hosen und weißer, konservativer Bluse, beugte sich zu ihrer Chefin und flüsterte ihr etwas ins Ohr, worauf diese nickte. Die Assistentin drückte einen Ordner an sich und ging auf ihren hohen Schuhen mit schnellen, bestimmten Schritten zum Ausgang. Sie glich ihrer Chefin in auffallender Weise: schulterlanges, dunkles, glattes Haar, blasse Haut, blaue Augen. Shane war sicher, Alex Winger war eine verdammte Narzistin.
    „Detective O’Connor “, fuhr Winger fort, „Sie haben seit einem Jahr gesundheitliche Probleme. Sie wurden bei einer Schießerei, verletzt.“
    Was sollte das jetzt?
    „Ja.“
    „Damals wurde Ihr langjähriger Partner
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