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Sonnenfinsternis

Sonnenfinsternis

Titel: Sonnenfinsternis
Autoren: Sandra Todorovic
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lächelte mich an, dabei kamen kleine Grübchen zum Vorschein. Sie hatte derart interessante Augen, dass ich mich zusammenreisen musste, sie nicht anzustarren. Wie flüssiges Karamell. Sie strahlten eine Wärme aus, die mich auf eine eigenartige Weise beruhigte.
“Super, ich kann jede Hilfe gebrauchen, die ich kriegen kann.”
Mr. Fargo rief die Klasse zur Ruhe und ich drehte mich zur Tafel.
Das Klassenzimmer von Mr. Clark, dem Englisch Lehrer fand ich ohne fremde Hilfe. Die Schüler waren mit sich selbst beschäftigt, also beachteten sie mich, genauso wenig, wie ich sie, als ich hineinkam. Eigentlich wollte ich einfach nur den Tag überstehen.

    Wie vorhin stellte ich mich dem Lehrer vor und bekam einen Platz am Fenstern zugewiesen. Ich setzte mich an eine Einzelbank und holte meine Bücher heraus. Unüberlegt sah ich kurz zur Seite, dabei blieb ich mit meinem Blick hängen. Bei dem süßen, aber doch etwas merkwürdigen Jungen von gestern.
Er lächelte, aber ich war nicht sicher, ob es mir galt oder dem Mädchen vor mir. Trotz der Schuluniform sah man ihr an, sie war eine der oberen Zehntausend Töchter. Die braunen, schulterlangen glatten Haare perfekt frisiert, das Gesicht perfekt geschminkt, die Beine vorschriftsmäßig gekreuzt, leicht zur Seite, Knie aneinander, den rechten Fuß hinter dem linken, so wie es ihr beigebracht wurde. Dazu eine Perlenkette, die über den Kragen ihres weißen Hemdes schaute.
Welche Sechzehnjährige trug eine Perlenkette im Unterricht?
Das war die Welt meiner Mutter, nicht meine. Am liebsten hätte ich auf der Stelle David angerufen, um ihn anzuflehen mit Dad und Mom zu reden. Mein großer Bruder hätte verhindert, dass ich hierher abgeschoben werde, aber leider war er zurzeit in Frankreich und konnte nicht gerade viel ausrichten. Auch wenn es nicht wirklich weit von hier war. Eigentlich studierte er in New York Architektur und machte in Frankreich nur ein Jahr Auslandsstudium. “Ich möchte Europa sehen.” So ein Quatsch. Ich kannte den wahren Grund. Dieser hatte sogar einen Namen, Simone Wolf. Diese blöde Kuh. Ich konnte sie vom ersten Moment an nicht ausstehen. Spielt sich ständig auf, als wäre sie allwissend. Doch anscheinend sieht mein Bruder in ihr etwas, was mir wohl immer verborgen sein wird.
Ich versuchte mich auf den Unterricht zu konzentrieren, aber dieser seltsame Junge mit diesen himmlischen Augen, faszinierte mich auf eine Weise, die nicht normal war. Nein ganz bestimmt nicht normal. Meine Eltern hatten ja keine Ahnung, wo sie mich hingeschickt hatten.
Ich konnte nicht widerstehen, zu ihm rüber zu sehen. Und als ich es tat, trafen sich unsere Blicke. Aus seiner Mimik war nicht herauszulesen, was er dachte. Sein Mund war leicht geöffnet, während seine Augen fragend die meinen erforschten. Für diese eine Sekunde war die Zeit nicht vorhanden, bis er blinzelte und sich mit einem nachdenklichen Gesicht wieder dem Lehrer zuwandte.
Ein seltsamer Moment.
Als die Stunde um war, schaute ich ein letztes Mal zu Jayden herüber, auch wenn es albern war. Er lächelte gezwungen und verließ das Klassenzimmer, mit dem Mädchen, das vor mir gesessen war. Sie hatte ihre Hand auf seine Schulter gelegt, ihre langen, dünnen Finger fuhren ihm den Rücken herab, während sie versuchte verführerisch zu lächeln.
“Super”, murmelte ich zu mir selbst. Er hatte also eine Freundin.
Was interessierte mich das überhaupt? So was kann mir doch völlig egal sein. Ich kannte ihn ja nicht einmal. Er war einfach ein Junge von meiner Schule. Meine nicht ganz freiwillig gewählte Schule, aber jetzt war ich nun mal hier. Es gab kein Entkommen.
Zufälligerweise oder sollte ich sagen glücklicherweise, hatte ich alle restlichen Stunden auf meinen Plan mit Alexis. Auch wenn wir nicht zusammensaßen, außer in Biologie. Sie erleichterte mir den ersten Tag. Alexis hatte so viel zu erzählen, ich kam gar nicht dazu, über etwas anders nachzudenken.
Nach dem Unterricht war mein Zimmer, der einzige Ort, wo ich hin wollte. Doch Alexis hatte einen anderen Plan. Sie schleifte mich zur Turnhalle mit, wo die Handballspieler gleich Training hatten. Mein Protest wurde einfach gekonnt ignoriert.
Wir setzten uns zu Megan und Ruby, die schon Platz genommen hatten. Megan war Kanadierin. Um genau zu sein, kam sie aus Toronto. Und Ruby stammte aus Russland. Ich hätte nie gedacht, dass sie eine Russin war. Ihr Englisch war perfekt und außerdem war Ruby nicht gerade ein russischer Name. Aber sie hatte mir
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