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Sonnenfeuer

Sonnenfeuer

Titel: Sonnenfeuer
Autoren: Patricia Shaw
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anderen an Bord den eintausendsechshundert Kilometer langen Streifen voller Korallenriffe entlang der Küste von Queensland fürchteten, war Edmund dankbar. Die
White Rose
segelte gemächlich dahin, und so konnte sich sein Magen endlich beruhigen.
    Sobald das Schiff vom Brisbane River in die Moreton Bay und Richtung Norden aufs offene Meer gefahren war, war Edmund schrecklich seekrank geworden. Sein Entsetzen darüber und das Gefühl, sich lächerlich zu machen, hatten sein Leiden noch verschlimmert. Ihm wäre zuvor nicht im Traum eingefallen, daß ihm übel werden könnte, und schon gar nicht, daß er sich dabei so sterbenselend fühlen würde. Er hatte Mr. Swallow angefleht, sich in seinen Verschlag aus Segeltuch unter dem Beiboot verkriechen zu dürfen, aber der wollte nichts davon hören. »Reiß dich zusammen, Junge. Wenn du dich oft genug auskotzt, dann kann irgendwann nichts mehr hochkommen. Mach weiter mit deiner Arbeit, aber kotz nicht aufs Deck, sonst zieh ich dir das Fell über die Ohren.«
    Nur Mrs. Beckmann, die Frau des Kapitäns, hatte Mitleid mit ihm, denn auch sie war seekrank gewesen. Edmund mußte die Eimer ausleeren, in die sie sich übergab, während sie sich wortreich bei ihrem Leidensgenossen entschuldigte. Sobald sie die Whitsundays erreicht hatten, waren sie beide aufgelebt, und die Reise gen Norden zu der kleinen Siedlung an der Spitze von Cape York war ohne Zwischenfälle verlaufen. Aber nun, auf der Rückfahrt, war die Frau des Kapitäns wieder krank geworden.
    Die Mannschaft, die wußte, daß Mrs. Beckmann nicht seefest war, lachte und machte sich über sie lustig. In Edmunds Augen war das grausam, aber die Männer wollten Mrs. Beckmann einen Denkzettel verpassen, damit sie künftig zu Hause blieb. Sie wollten keine Frau an Bord, und schon gar keine Deutsche. Es sei ein böses Omen, sagten sie. Ständig redeten sie über böse Omen, jedes zweite Ereignis trug irgendein Vorzeichen. Edmund war beileibe kein Ungläubiger, o nein. Vielmehr erschreckten ihn ihre Geschichten zu Tode, und er wollte unbedingt wissen, wie er sich schützen konnte. Er tauschte seine täglichen Rumrationen bei Billy Kemp gegen einen Haifischzahn ein, den er nun um den Hals trug. Ein guter Tausch. Wenn er über Bord fiel oder Schiffbruch erlitt und einen Haifischzahn bei sich trug, würde sich kein Hai in seine Nähe wagen. »Die sind schneller weg als das Höschen einer Hure!« hatte Billy gesagt, und Edmund war beruhigt. Er hatte nämlich furchtbare Angst vor Haien.
    Eine Bewegung auf Deck unterbrach ihn in seinen Gedanken. Er ließ sich heruntergleiten und spürte die willkommene Kühle der Morgenbrise. Das Meer war bis zum Horizont in rosarotes Licht getaucht; immer wieder erstaunte es ihn aufs neue, daß der Ozean eine solche Farbe annehmen konnte. Dort, wo gleich die Sonne aufgehen würde, zeichneten sich graue und rosafarbene Streifen auf dem Himmel ab. Edmund fragte sich, was wohl jenseits des Horizonts liegen mochte.
    »Steh hier nicht rum, du alter Kakadu, hilf uns lieber!« Billy Kemp schob Edmund zum Beiboot. »Mach es los. Die Jungs bringen die Fässer.«
    Billy war ein Typ, der immer Befehle geben mußte. Man könnte denken, er sei Offizier und nicht bloß ein einfacher Matrose. Edmund nestelte an den Seilen herum, aber andere Hände waren schneller, und so wurde das Beiboot bald über Bord gehievt. Auf dem Schiff ging es plötzlich geschäftig zu, jeder wollte dabeisein und zusehen, wie die Fässer im Boot verstaut wurden und die Gruppe aufbrach. Edmund betete, daß sie Wasser finden würden. Er wollte nicht mit einer riesenhaft angeschwollenen Zunge sterben, die kaum noch in den Mund paßte, wie es den Erzählungen nach beim Verdursten der Fall war.
    Der Kapitän stand da und schaute mit unbewegter Miene zu. Da ein dichter Bart sein Gesicht verhüllte, war nur schwer zu erraten, was er dachte. Wenn er den Mund geschlossen hielt, konnte man nur die stahlgrauen Augen sehen. Eines Tages, sagte sich Edmund, würde er auch einen Bart tragen.
    Mr. Swallow trug einen Revolver. Edmund erschauderte. Er war froh, daß er nicht an Land gehen mußte. Sie lagen zwar weit vor der Küste, aber selbst von hier aus wirkte das Land unheimlich auf ihn.
    Mrs. Beckmann kam mit gerafften Röcken schnaufend an Deck, um dem Aufbruch der Wassersucher zu dem winzigen Streifen weißen Strandes zuzusehen.
    »Können wir nicht näher ran?« hörte er sie den Kapitän fragen.
    »Das ist zu gefährlich. Wir müssen hier in
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