Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sonnenfeuer

Sonnenfeuer

Titel: Sonnenfeuer
Autoren: Patricia Shaw
Vom Netzwerk:
seinem inneren Auge, und die Schreie der Nachttiere im Busch klangen ihm unheilverkündend in den Ohren. Er wünschte sich zurück auf sein Schiff. Rum, Wein, Portwein – seit Jahren hatte er nicht mehr so viel getrunken. Bei Morgengrauen, er lag immer noch schweißgebadet auf seinem Bett, sah er auf einmal, daß sich in einer dunklen Zimmerecke etwas regte. Angestrengt versuchte er etwas zu erkennen und sprang dann plötzlich auf. Als die riesige Schlange ihren Schlafplatz verließ, packte Otto seine Kleider und floh nackt ins Freie.
    Am nächsten Morgen war er schlecht gelaunt, befahl der an Land gegangenen Mannschaft mürrisch, sich sofort an Bord zu begeben, und rief dem ersten Maat, Bart Swallow, zu, daß sie mit der ersten Flut auslaufen würden. Eilig verabschiedete er sich von seinem Gastgeber und jagte die
White Rose
erleichtert gen Süden. Der frische Wind kühlte sein gerötetes, erhitztes Gesicht.
    Und nun, eine Woche später, stand er am Steuerruder und wußte, daß er übereilt abgereist war, obwohl er das niemals zugegeben hätte.
    »Sagen Sie das noch einmal, Mr. Swallow!« brüllte er.
    »Wir haben fast kein Wasser mehr, Sir.«
    »Und warum haben wir fast kein Wasser mehr?« Vor Wut wollte ihm die Zunge kaum gehorchen.
    »In Somerset hat es eine Verwechslung gegeben, Sir. Die Männer haben die Fässer mit dem Wasser aus Batavia ausgeleert und nur eines neu gefüllt. Sie wollten die restlichen Fässer am nächsten Morgen auffüllen, aber das wurde übersehen.«
    »Übersehen! Was für ein ausgemachter Unsinn! Übersehen! Übersehen wir das Ablegen? Das Segelsetzen? Ich wette, Sie haben noch niemals den Rum übersehen, oder?«
    »Es tut mir leid, Sir.«
    Um sie herum auf dem Deck hatten die Männer ihre Arbeit liegenlassen, um zuzuhören; sie warfen sich Blicke zu und grinsten hämisch, als der Kapitän den ersten Maat zusammenstauchte. Doch auch sie bekamen ihr Fett ab.
    »Hört mir jetzt gut zu, ihr faulen Säcke. Ihr lacht. Ihr denkt, mit einem Wasserfaß kommen wir leicht bis zum nächsten Hafen. Was seid ihr bloß für Idioten!« Verärgert deutete Beckmann auf das glatte, saphirblaue Wasser. »Ihr denkt, das hier sei ein ungefährlicher, sicherer Seeweg, aber unter uns lauern Riffe, die meinem Schiff den Bauch aufschlitzen könnten. Gott verhüte, daß so etwas geschieht, aber wenn wir auf ein Riff laufen, verdursten wir. Ich werde nicht weitersegeln, wenn wir nicht genug Wasser haben. Habt ihr mich verstanden?«
    »Ja, Käpt’n«, raunten die Männer.
    »Ich sollte Sie auspeitschen lassen, Mr. Swallow, aber statt dessen werden Sie sich auf die Suche nach Wasser machen. Sie nehmen die für das Wasser verantwortlichen Männer mit. Wer war das? Wer hat noch seine Pflicht vernachlässigt?«
    Swallow fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. »Ich übernehme die volle Verantwortung, Sir.«
    »Können Sie etwa das Beiboot rudern und die Fässer allein tragen?«
    »Nein, Sir.«
    »Dann nennen Sie mir die Namen.«
    Es entstand Unruhe. Die Männer blickten sich neugierig um und versuchten festzustellen, wer von ihnen an Land gehen mußte. »Billy Kemp«, begann Swallow, »George Salter und Dutchy Baar.«
    »Gut. Am Morgen werden wir an der Mündung des Endeavour River vor Anker gehen. In meinen Karten ist dort in Küstennähe Quellwasser verzeichnet. Sie werden zu viert das Wasser holen.« Er schnüffelte und rümpfte die Nase. »Was ist denn das für ein Gestank?« Gleich darauf schüttelte er verzweifelt den Kopf. »Du schon wieder, Gaunt!«
    Der Kajütenjunge stand da und glotzte. Er hielt einen Eimer mit einer übelriechenden Flüssigkeit in der Hand. Man brauchte gar nicht erst zu raten, was es war: Gussie hatte sich wieder übergeben.
    »Bring das weg«, brüllte Beckmann, »oder ich werfe dich mitsamt dem Eimer über Bord! Und scheuere den Eimer aus!« Voller Ekel wandte er sich ab. Wie ihn der alte Halunke Willy Gaunt dazu überreden konnte, seinen schwachsinnigen Sohn anzuheuern, würde er nie verstehen. »Der glotzende Gaunt« war ein verdammt guter Name für ihn, so wie er ständig herumstand und wartete, daß ihm jemand zum hundertsten Mal erklärte, was er tun solle. Er schien nichts zu behalten. Doch glücklicherweise hatte er auch eine gute Seite: Er war nett zu Augusta. Es machte ihm offenbar nichts aus, sie zu pflegen, hinter ihr herzuwischen, treppauf, treppab zu rennen und ihr Kaffee und Kekse zu bringen. Die Wäsche besorgte er ebenso gut wie jede chinesische Wäscherei. Gussie
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher