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Somnia: Tagebuch 1991 (German Edition)

Somnia: Tagebuch 1991 (German Edition)

Titel: Somnia: Tagebuch 1991 (German Edition)
Autoren: Walter Kempowski
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für«Sirius»auch noch KFs Tagebücher hätte verwenden können. Schade!
     
    Heute früh Schneeweiß über seine Arbeit. Seine Erzählungen von Afrika. Erlebnisse mit«Negern». Einer habe ihm seine Kamera wegnehmen wollen, da habe er nur leise und drohend gesagt: Ich bin Deutscher … Der dann vor Angst ausgerückt. – Ob das stimmt?
    Er hat einen Meisterjodler aus Hamburg nach Afrika verfrachtet, die Neger haben sich totgelacht, als der da loslegte. Dieses herzliche Lachen, von dem man sagt, daß man es ausschüttet. – Lustiger Film.
     
    Nachmittags frei. Langes Interview mit Hamer von der«Norddeutschen Zeitung»aus Rostock.
    Abends ließ uns dann Gabriel Laub im Stich, ist wohl beleidigt wegen«Sirius». So las ich dann selbst aus den«Hundstagen», was mir Spaß machte.
    Am Abend gab’s dann noch Ärger. Die Rostocker Schüler kündigten an, daß sie statt übermorgen schon morgen früh fahren. Obwohl ich doch alles bezahle.«So hatten wir nicht gewettet.»Enttäuschung. Wurde wütend. So ist es, wenn man Menschen was Gutes tun will. Wie sagt mein Bruder:«Tue nichts Gutes, so widerfährt dir nichts Böses.»
    Ich arbeitete dann noch etwas in meinem Zimmer, war ganz verbockt.
     
    Die rothaarige Klavierspielerin Eltje:«Morgen sind wir schon fast eine ganze Woche zusammen.»Da muß man sehr vorsichtig sein. Die Mädchen bilden sich immer alles mögliche ein. Die Männer natürlich auch. – Ich hab’ was übrig für Rothaarige. Je roter, desto besser. Wie sich das wohl zwischen schwarz und blond hindurchgemendelt hat? Irgendwie in Schlangenlinien. Darf man so was heute überhaupt noch sagen?«Der Sowieso ist rothaarig»? Oder fällt das unter p. c.?
    Mit einer Pianistin verheiratet zu sein, ist gewiß auch nicht so einfach. Aber eine Sängerin ist schwerer auszuhalten.
    Renate als Kind, als sie mich mal üben hörte:«Hat Vater denn viele Hände?»
     
    TV: Im Abfahrtslauf der Skiläufer siegt ein Mensch mit zwei Hundertstelsekunden Vorsprung, das wird uns bekanntgegeben in den Abendnachrichten. Das ist so ähnlich wie bei den Schwimmern, da macht die Dicke der Kacheln schon 1/100 sec. aus.
     
    2007: Jetzt gibt es bald keinen Schnee mehr, sogenannte Schneekanonen schaffen Abhilfe. Wenn’s irgendwo mal schneit, geben sie Sondermeldungen durch. In diesem Fall ist Schadenfreude wohl unangebracht. – Dieses«Zünftige», was bei jeder Sportart herumhängt, kotzt mich an.

Nartum So 6. Januar 1991
     
    Die Albaner lassen endlich ihre politischen Gefangenen frei. Darunter sind Leute, die 20 Jahre gesessen haben. Priester. Richtig in der Zelle. Alles im Zeichen des Sozialismus. Absolutistische Systeme neigen zu so was. In Jammersminde, Dänemark, diese Frau, die jahrzehntelang auf ihrer eignen Scheiße hocken mußte. Aber sie überlebte.
    Die sieben Chinesen, die mich hier besuchten, 1985? Drei von ihnen hatten über 20 Jahre gesessen, einer bloß fünf, der hatte gewiß Minderwertigkeitsgefühle. – Die Dolmetscherin war wenig hilfreich, denn sie war halb taub.
    Was die wohl sagen, wenn sie einen Rothaarigen sehen? In Indien gibt’s viele, dort ist das irgendeine Krankheit. Chinesen darf man ruhig anglotzen, die haben nichts dagegen.

Nartum Mo 7. Januar 1991
     
    «Der aufgeklärte Big-Band-Klang der 70er und 80er Jahre», sagt Michael Naura im NDR. Sehr große Ähnlichkeit mit Militärmusik. Dies Zackige. Adorno hat darüber Zutreffendes geäußert. («Bach gegen seine Liebhaber verteidigt.») Ich kann es nicht mehr hören, Stan Kenton vielleicht ausgenommen. – Das Dauerhafte der alten Melodien («Cherokee»,«Night and Day»,«My funny Valentine»,«Georgia»). Ohne sie ist unsere Kultur nicht mehr vorstellbar. Mit«Techno»können sie mir nicht imponieren.
    Das schreckliche Schicksal von Cole Porter, der uns so schöne Melodien geschenkt hat. Truman Capote schildert einen Besuch bei dem durch einen Reitunfall völlig gelähmten genialen Komponisten.
    Aber das militärische Gehabe des gleichzeitigen Aufstehens der Trompeten bei den Show-Kapellen zum Beispiel: nein. Saxophone alle nach links, Posaunen alle nach rechts. – Aber Vorsicht! Solche Anweisungen gibt’s für Symphonieorchester auch. Der An- und Aufstrich der Geigenbögen ist genau reglementiert. Nur der Dirigent mit seinen mehr oder minder eleganten Wedeleien da vorne kann machen, was er will.
     
    Oldenburg: Jena-Plan.
    Habe ich mal gemacht, ein Stadtspiel, alle Unterrichtsinhalte in dem Spiel bündeln, das dauerte Wochen. Ich habe die
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