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Sommersturm

Sommersturm

Titel: Sommersturm
Autoren: Olaf Buettner
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als habe sie
seit Tagen nichts gegessen. Ich knabberte zaghaft  an meinem Toast herum
und konnte nur noch daran denken, wie ich sie in der Nacht gesehen hatte: nackt
auf dem Bett liegend. Auch ihr Hintern und ihr Rücken waren schon ziemlich
braun gewesen, obwohl das Frühjahr erst begonnen hatte.
    „Gehst
du eigentlich ins Solarium oder sowas?“, fragte ich, nur um unser Schweigen zu
beenden.
    „Das
geht dich nichts an“, sagte Betty entschieden und schenkte Kaffee nach. „Eine
Frau braucht ihre Geheimnisse.“
    „Darf
ich dich trotzdem noch was fragen?“
    „Natürlich.“
Betty lächelte. „Ich weiß nur nicht, ob du auch eine Antwort bekommst.“
    „Warst
du nach deiner Scheidung wieder fest mit jemand zusammen?“ Erst als ich die
Frage stellte, wurde mir klar, dass ich es wirklich wissen wollte. Betty
blickte durch mich hindurch. Sie biss ein winziges Stück von ihrem Toast ab,
der Heißhunger war ihr offenbar vergangen.
    „Nein“,
sagte sie schließlich und tauchte ihren Löffel so schwungvoll ins Eigelb, dass
es platzte und über den Becherrand lief. Sie lachte und leckte den Klecks von
ihrer Hand. „Ich bin einfach nicht für eine feste Beziehung geschaffen.“
    „Und
Kinder?“, fragte ich. „Wie steht es mit Kindern?“
    „Du
bist ganz schön neugierig, mein Lieber.“ Sie wischte sich den letzten Rest
Eigelb mit einer Serviette ab. „Ich will dir trotzdem antworten: In einer
Beziehung und erst recht mit Kindern ist man nicht frei. Man muss treu sein,
kann nicht tun, was man will, muss Verantwortung tragen und so weiter. Und
schließlich gibt es so viele Männer, die interessant sind ...“
    „Genau
das ist es“, unterbrach ich sie schroff, „was sie alle von dir sagen.“
Plötzlich war ich wütend.
    „Was
sagen alle von mir?“, hakte Betty nach.
    Ich
konnte nicht antworten, das Wort blieb mir im Hals stecken.
    „Soll
ich raten?“, fragte sie.
    „Brauchst
du nicht. Du weißt es, ich weiß es. Das genügt doch, oder? Warum es noch
aussprechen.“ Ich konnte ihr nicht in die Augen sehen.
    „Sag
es mir“, wiederholte Betty.
    Ich
steckte tief in der Klemme. Ich wollte Betty nicht kränken, hatte mich aber
schon zu weit vorgewagt.
    Dann
klingelte es an der Tür. Ich atmete auf. Betty stand langsam auf, ließ mich
nicht aus den Augen. Es klingelte ein zweites Mal. Betty stand jetzt in der
Zimmertür. Dann ging sie rückwärts weiter.
    „Nun?“
beharrte sie. Ihre Stimme klang schneidend und hatte alles Sanfte verloren.
„Was sagen sie?“
    Es
klingelte ein drittes, gleich hinterher ein viertes Mal.
    „Sie
sagen, du bist eine ...“
    „Eine
was?“
    „Eine
Hure.“ Das Wort fiel aus meinem Mund wie ein Stein. Es war schwer, Ein paar
Sekunden starrten wir uns nur an.
    „Und?“,
fragte sie dann.
    „Was
und?“
    „Sagst
du das auch?“
    Wieder
klingelte es an der Tür. Die Luft stand still. Ich sagte nichts. Dauernd hatte
ich das Bild von letzter Nacht vor Augen. Dieser Typ, der mich noch immer
wütend machte. Aber da war auch Bettys Nacktheit. Und daran zu denken machte
mich überhaupt nicht wütend.
    Sie
ging aus dem Zimmer, war schon auf der Treppe, aber ihre Frage hallte noch in
meinem Kopf nach: „ Sagst du das auch?“ Ich spürte, wie sehr es sie traf,
dass ich ihr keine Antwort gab.
    „Betty!“,
rief ich.
    „Ja?“
Ihre Stimme war angespannt.
    „Ich
sage es nicht. Ich denke es nicht einmal.“
    Betty
ging ein paar Stufen die Treppe runter.
    „Glaubst
du mir das?“ fragte ich ihr nach. Meine Stimme zitterte leicht.
    Mit
ein paar schnellen Schritten war sie wieder oben. Wer immer an der Tür
klingelte, hatte Ausdauer. Es schien, als würde es immer noch ein nächstes Mal
geben. Im Türrahmen blieb Betty stehen und schaute mich an. Ihre Augen waren
schön, die Pupillen groß und dunkel.
    „Wenn
wir hier zusammenleben wollen“, sagte sie, „ist es ganz wichtig, dass wir uns
immer glauben, was wir sagen. Sonst sollten wir es lieber lassen. Findest du
nicht?“
    „Doch“,
sagte ich, „finde ich auch.“
    „Und
deshalb“, fuhr sie ruhig fort, „will ich dir jetzt auch noch etwas erzählen.“
    „Ja?“
Die Luft knisterte.
    „Ich
habe eine Tochter.“
    „Wie
bitte!?“, rief ich. „Und wo soll die sein?“.
    „Zur
Adoption freigegeben. Ich war noch keine siebzehn, als sie geboren wurde. Ich
hätte damals unmöglich ein Kind aufziehen können. Nach der Adoption hab ich sie
nie wieder gesehen.“
    „Aber
...?“ Ich konnte meine Frage nicht mehr stellen. Ich
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