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Sommersturm

Sommersturm

Titel: Sommersturm
Autoren: Olaf Buettner
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nächsten Haus. Wir legten beide keinen besonderen Wert
auf Nachbarschaft.
    An
Bettys Haus störte mich nur, dass es zu dünne Wände hatte. Obwohl sich zwischen
unseren Zimmern die Abstellkammer befand, blieb mir kein Detail aus Bettys
Schlafzimmerleben verborgen, trotz Ohropax oder
laufendem Discman.
    Betty
arbeitete als Bedienung in einer Bar. Oft schleppte sie irgendwelche Typen mit
nach Hause. Woher sie die kannte, wusste ich nicht und es war mir auch egal.
Zusätzlich jobbte sie als Modell für Fotografen. Ich beschloss früh, mich für
diese Bereiche ihres Lebens nicht näher zu interessieren. 
    Eines
Nachts hatte ich ernsthafte Schwierigkeiten, die Geräusche einzuordnen, die aus
Bettys Schlafzimmer kamen und das ganze Haus erfüllten. Zwar war ich nach den
ersten Wochen bei Betty schon einiges gewöhnt, aber das hier klang anders,
total anders! Es klang gefährlich. Als ich es hörte, dachte ich eher Mord, Tod
oder Folter als an Liebe!
    Ich
geriet in Panik. Es dauerte ein Weilchen, bis ich Bettys Stimme erkannt hatte.
Ich sprang hoch, blieb aber noch eine Weile unschlüssig im Zimmer stehen und
lauschte ins Dunkel. Das da draußen ging nicht nur weiter, es steigerte sich
noch: Bettys Quietschen und ihr Geschrei wurden immer lauter.
    Kein
Zweifel: Sie brauchte dringend Hilfe. Ich stürzte zu ihrem Zimmer und riss die
Tür auf. Zwei Augenpaare starrten mich entgeistert an. Sie gehörten zu Betty
und einem Typen, den ich nicht kannte. Ihre nackten Körper waren
schweißgebadet, die Decke lag auf dem Boden. Überall im Zimmer brannten Kerzen,
aber auch eine Lampe war an, sodass es ziemlich hell war. Betty lag auf dem
Bett, er saß vor ihr. 
    Ich
stand bloß da und hatte keine Ahnung, was ich tun sollte. Einfach die Tür
wieder zu schließen, wäre sicher das Beste gewesen. Auf diese simple Idee kam
ich aber in diesem Moment nicht. Das alles hier sah aus wie es sich angehört
hatte: Nicht nur nach Liebe, mehr nach Gewalt. Vielleicht zögerte ich deshalb.
Aber es war auch klar, dass Betty  einverstanden war mit dem, was
passierte, was immer das auch sein mochte. Ihr Gesicht war seltsam verändert,
aber sie sah entspannt aus. Endlich zog ich die Tür hinter mir zu und
verschwand stumm in meinem Zimmer.
    Am
nächsten Morgen, es war Samstag, brauchte ich nicht zur Schule. Hinter den
Vorhängen sah ich die Sonne, aber zum Aufstehen hatte ich keine Lust. Vor allem
wollte ich diesem Kerl von letzter Nacht nicht noch mal über den Weg laufen.
Irgendwas in mir hasste ihn und ich wusste, dass das ewig so bleiben würde.
Dabei hätte ich nicht sagen können, weshalb ich ihn hasste. Ich wusste nur,
dass ich ihn nicht wiedersehen wollte. Und da mir das Risiko jetzt noch zu groß
erschien, wenn ich jetzt runterging, wälzte ich mich Ewigkeiten lang von einer
Seite auf die andere. Endlich schlief ich dann doch noch mal ein.
    Geweckt
wurde ich von einem sanften Kuss auf die Stirn. Zuerst war es einfach ein
schönes Gefühl. Aber langsam dämmerte mir, von wem der Kuss kam, und ich fuhr
erschrocken hoch. Betty lachte und strich mir vorsichtig über die Stirn. Vor
mir stand ein Tablett mit einem pompösen Frühstück für zwei Personen. Betty
öffnete die Vorhänge und das Sonnenlicht fiel gleißend herein. Ich war so
geblendet, dass ich kaum die Augen offen halten konnte. Betty strahlte mit der
Sonne um die Wette. Sie sah glücklich aus. Und sie schien dieses Gefühl
unbedingt mit mir teilen zu wollen. Ausgerechnet mit mir! Ich fühlte mich wie
ausgespuckt.
    „Ist
er weg?“ fragte ich zerknittert und schob mir die Kissen so zurecht ,
dass ich mich halb aufsetzen konnte.
    „Wer?“,
fragte Betty mit ungebrochenem Lächeln. 
    „Na
er“, sagte ich und schenkte mir einen Becher Kaffee ein. „Der Typ von heute
Nacht.“
     „Ach
der!“ Sie lachte wie über einen gelungenen Witz. „Ja, der ist schon lange weg.
Schon sehr lange. Und sehr weit.“
    Offenbar
hatte sie ihn bereits vergessen, die Sache war längst ausgestanden. Da hatte ich
mir stundenlang den Kopf zerbrochen, was dieser Typ da drüben mit ihr
angestellt hatte - und jetzt das! Erleichtert köpfte ich das Frühstücksei und
trank einen großen Schluck frisch gepressten Orangensaft.
    Betty
saß im Schneidersitz auf meiner Bettdecke. Ich sah ihre nackten, schönen Beine,
die braun gebrannt waren und hatte sofort wieder die nächtliche Szene vor
Augen. Ein Teil der alten Aufregung kam zurück.
    Betty
selbst schien nur noch ans Frühstück zu denken. Sie haute rein,
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