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Sommersturm

Sommersturm

Titel: Sommersturm
Autoren: Olaf Buettner
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hatte. Und dass ich hier im Bett lag wie ein
kleines Kind, während sie mit ihren nackten Beinen im Nachthemd neben mir saß,
sich rechtfertigte und fror. 
    „Ich
will jetzt schlafen“, setzte ich so schroff wie möglich hinzu. „Lass mich
allein.“
    Ohne
zu Zögern stand sie auf. Fast schien es jetzt, als habe sie nur darauf
gewartet, dass ich sie wegschickte.
    „Gute
Nacht, Julian“, sagte sie. „Vielleicht können wir ein anderes Mal darüber
weiterreden.“
    „Gute
Nacht“, sagte ich. Es dauerte noch eine ganze Weile, bis ich einschlafen
konnte. Ich war so aufgewühlt wie lange nicht mehr.

 
    4
     
    Der
Typ nannte sich Dean. Alle Welt nannte ihn so. Ich hatte keine Ahnung, wie er
wirklich hieß. Wenn ich ihn mir so ansah, versuchte er wohl, den Schauspieler
James Dean aus den Fünfzigern nachzuahmen. Ich hatte einmal einen Film mit ihm
gesehen, der hieß „Denn sie wissen nicht, was sie tun“, darin spielt er einen
coolen, siebzehnjährigen Typen, der sich durch nichts und niemand davon
abbringen lässt, er selbst zu sein, was mir mächtig imponiert hatte. Trotz
aller Schwierigkeiten und Unsicherheiten hatte er immer das gemacht, was ihm
richtig erschien. Aber obwohl der Dean an unserer Schule rein äußerlich
tatsächlich ein bisschen Ähnlichkeit mit ihm hatte, war er im Verhalten doch
eher wie die Riesenarschlöcher aus dem Film, die Jimmy Dean das Leben
schwerzumachen versuchten. Er war eine Klasse über mir und führte sich auf wie
der King der Schule.  
    In
den Pausen schlich er um mich herum wie ein Wolf und führte dabei immer sein
Rudel im Schlepptau. Heute kam er näher, die Hände tief in die Taschen seiner
Jacke gestemmt. Es war ein warmer Tag und die Sonne schien. Dean ließ mich
keine Sekunde aus den Augen.
    Auch
ich schwieg, wich aber seinem Blick nicht aus. Irgendwann verzog er sich von
selbst wieder. Ich wusste nicht so recht, was ich von dem Auftritt halten
sollte.
    „Macht
er das bei jedem Neuen so?“ fragte ich Henry, mit dem ich mich schnell ein
bisschen angefreundet hatte. Er war ein unscheinbarer Typ mit Pickeln und
blasser Haut, der sonst keine Freunde hatte. Die Schule war aus und wir 
saßen auf einer Parkbank in der Sonne. Henry rauchte eine Zigarette.
    „Eigentlich
nicht.“ Henry krächzte wie ein altersschwacher Rabe. Als Spätzünder war er noch
im Stimmbruch. „Die meisten lässt er links liegen. Mich zum Beispiel hat er
noch nie angeguckt.“
    „Wie
schmeichelhaft für mich“, erwiderte ich grinsend. Henry verzog den Mund zu
einem schiefen Lächeln. Er gab sich keine Mühe, cooler zu sein als er war. Das
mochte ich an ihm.
    „Glaubst
du, Dean will mein Freund werden?“, fragte ich.
    „Weiß
nicht“, murmelte Henry. „Kann schon sein.“  Die Glut seiner Zigarette
hatte sich bis zum Filter durchgefressen. Seine Fingerkuppen waren ganz gelb
vom Nikotin.
    Entschlossen
stand ich von der Bank auf. „Ich kann den Typ jedenfalls nicht ausstehen“,
erklärte ich.
    Henry
schnipste seine Kippe ins Gebüsch und trottete hinter mir her.
    „Außerdem“,
fuhr ich fort, „sucht er sicher keinen Freund. Er sucht einen Feind.“
    Henry
blieb weiter stumm. 
    „Und
vielleicht hat er diesen Feind ja auch schon gefunden“, sagte ich.
    Henry
erwiderte mit todernster Miene: „Wenn ich dich so ansehe, kann ich nur sagen:
Stimmt.“

 
    5
     
    Ich
wohnte mit Betty in einem kleinen, alten Haus am Rand einer Neubausiedlung. Das
Haus gehörte ihr. Es hatte einen großen und verwilderten Garten, in dem niemals
der Rasen gemäht wurde und der voller Apfelbäume stand. Er sah aus, als würden
dort Feen leben oder Kobolde. Das Haus war zwar noch ganz gut in Schuss, aber
an manchen Stellen blätterte der Putz ab, das Dach war ein wenig windschief und
mit Moos bewachsen. Es hatte etwas, das mich an die Häuser in alten Märchen denken
ließ.
    Bei
den Leuten in der Siedlung standen wir nicht gerade in hohem Ansehen. Es
wohnten fast nur junge, fast schon verdächtig glückliche Familien mit zwei oder
drei Kindern, deren Väter Karriere machten und alles im Griff hatten. Auch ohne
mich als Mitbewohner hatte Betty da nicht so recht reingepasst: Eine allein
stehende junge Frau mit wechselnden Männerbekanntschaften. Eine Frau, über
deren Beruf man nichts Näheres wusste. von der keiner genau wusste. Von so
einer hielt man sich lieber fern. Und zu allem Überfluss war jetzt auch
noch ich aufgetaucht! Glücklicherweise hatten wir mindestens hundert Meter
Sicherheitsabstand zum
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