Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sommernachtsfrauen: Roman (German Edition)

Sommernachtsfrauen: Roman (German Edition)

Titel: Sommernachtsfrauen: Roman (German Edition)
Autoren: Keith Donohue
Vom Netzwerk:
Gästezimmer, riss die Tür auf und entdeckte sie.
    Der untergehende Vollmond warf einen Halo auf das Bett. Aufgrund irgendeiner Sinnestäuschung erkannte ich in diesem trüben Licht mit strahlender Klarheit Farben und Muster, ein wildes Durcheinander aus Quilts und Bettüberwürfen in den gewagtesten Farbtönen und Ausführungen. Doch ich hatte genau bis zu diesem Augenblick die fremden nackten Frauen vergessen, die sich unter den Stoffen verbargen. Plötzlich erschienen sie alle auf einmal, eine schwebende Wolke, liebliche Leiber, ein Gewirr aus Gliedern, Händen, einer nackten Brust, einer geschwungenen Hüfte, aus einem halben Dutzend nackter Arme, aus Haut und Haaren in passenden Farbnuancen, manche mit Bändern zu Kränzen geflochten, andere locker und offen fallend. Münder, hin und wieder Gesichter, unnatürliche Winkel. Ein wirres Knäuel aus acht Frauen, ineinander verschlungene, ruhende Körper. Mit einer Ausnahme waren alle ihre Gesichter mir zugewandt. Ein Augenpaar öffnete sich. Ein anderes blinzelte in meine Richtung. Die Muster der Decken schimmerten wie buntes Glas in einem Kaleidoskop und erwachten zum Leben. Die Farben wogten wie eine Welle, die Decken teilten sich wie das Meer. Eine andere Frau regte sich und sah mich an, während sie die Schulter ihrer Nachbarin streichelte, als wollte sie sie wecken. Ich machte einen Schritt rückwärts und schloss rasch die Tür. Wieder seufzte jemand, aber ich war mir nicht sicher, ob es in diesem Fall nicht ich selber war.
    Es wurde wieder still, und hin- und hergerissen zwischen dem Wunsch, die Tür wieder zu öffnen und nachzuschauen, und meiner Panik, was dort wohl sein könnte, lauschte ich am Schlüsselloch. Nichts als das Atmen von acht Schlafenden, ruhig wie Kätzchen, weich wie ein Babyfuß. Erbittertes Husten durchbrach die erneute Ruhe, und ich stellte mir meinen durstigen Vater im Bad vor und eine Wolke aus Flaumfedern, die durch die Luft wirbelte, zur Badematte schwebte, vom Ventilator angesaugt wurde oder im Waschbecken und auf dem Klo niedersank. Richtig, der Whiskey. Bei keinem Schritt abwärts gelang es mir, das Bild dieser Frauen abzuschütteln. Der grelle Missklang der Muster auf den Decken, wogende Brüste und rosafarbene Warzen, ein haariges Dreieck, ein abgewandter und wie ein Pfirsich perfekt geteilter Hintern, von Hitze gerötete Gesichter, Augen, die sich jäh öffneten, als spürten sie meine Gegenwart und erwachten plötzlich zum Leben. Die letzte Frau, die mit dem Gesicht zur Wand außerhalb des Farbwirbels lag, krümmte in diesem Dämmerzustand ihren nackten Rücken zu einem Sichelmond. Eine feine Schicht Schweiß klebte auf ihrer dunklen Haut. Sie ähnelte jemandem, den ich sehr gut kannte, doch ihr Name fiel mir nicht ein. Ihr völliges Mysterium verwirrte mich mehr als das der anderen, deren Gesichter im Glanz der wenigen Sekunden Spuren von Intimität preisgaben. Noch konnte ich mich nicht daran erinnern, wie sie zu mir gekommen waren, was sie in mein Bett geführt hatte, warum sie sich ausgezogen hatten, woher diese grellbunten Decken stammten und was – wenn überhaupt – geschah, als ich vor einer Weile aufstand, um meine Blase zu erleichtern.
    Jeder Schritt schien eine Ewigkeit zu dauern, als bewegten sich Körper und Geist in zwei unterschiedlichen Geschwindigkeiten. Verschiedentlich vergaß ich unterwegs mein Ziel und blieb ein-, zweimal im Nebel der Verwirrtheit stehen. Das Bild in meinem Kopf von den nackten Frauen im Bett zerrte an meiner Großhirnrinde, doch statt dass sich die Bedeutung klärte, blieben mir die Mädchen ein Rätsel. Unten an der Treppe angekommen, blieb ich eine Weile still stehen und versuchte zu entscheiden, in welche Richtung ich gehen müsste und warum. In der wabernden Finsternis bewegte sich ein dunkles Lebewesen wie ein Schatten, der auf einen Schatten traf. Einige Sekunden später schmiegte sich die Katze an mein nacktes Bein, was mir einen Erinnerungsschub direkt von der Haut den Rücken hinaufjagte. Ich flüsterte ihren Namen, sie miaute und lief davon, eine Spur in der Dunkelheit.
    Alle Spirituosenflaschen sahen uralt und unberührt aus, überzogen mit einer schmierigen Fett- und Staubschicht. Der Whiskey in dunklem Glas, die Flasche so gut wie voll, funkelte vor Leben, als ich ihn vor die schummrige Küchenlampe hielt. Die Haut um die Wunde an meinem Hinterkopf dehnte und straffte sich, als könnte sich das Loch von selbst schließen, doch das Zusammenziehen verursachte einen leichten
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher