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Some like it heiß

Some like it heiß

Titel: Some like it heiß
Autoren: Gayle Tufts
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rannte regelrecht zum Blarney Stone, nahm zwei Treppen auf einmal und kam schwindlig, aber beseelt an: Rocky O’Halleran! Er sah keinen Ranger, konnte es aber nichterwarten, endlich diesen Stein mit seinen Lippen zu berühren, beugte sich rückwärts und fiel tot um.
    Wir waren besorgt, als wir Ma am Flughafen abholten. Ma und Kay mussten ihren Trip übereilt abbrechen und viel früher zurückkehren. »It’s okay«, sagte meine Mutter. »He died doing what he loved.« Als ob Tommy O’Halleran jeden Tag Gymnastik an Felsen irischer Schlösser gemacht hätte. »Er war glücklich«, sagte sie – mit einem Lächeln in ihren Augen. When Irish Eyes Are Smiling.
    Mrs. Robin quetschte die letzte Strophe aus ihrer Orgel heraus, die nächste Trauerfeier wartete schon im Foyer, sie waren, wie es schien, im Halbstundentakt geplant, der Länge einer amerikanischen Sitcom – »Eine schrecklich traurige Familie« –, und wir standen eng nebeneinander auf der Treppe vor der Kirche im kalten, klaren Morgenlicht von Cape Cod. Meine Schwester hielt die Urne, mein Bruder hob seinen Sohn auf seine Schultern, und ich umfasste fest die Schlüssel meines Mietwagens – meine Verbindung zu Berlin, mein Glücksbringer, mein persönlicher Blarney Stone.
     
    »Fucking horrible!«, sagte mein Bruder, und seine zutreffende Musikkritik trieb uns schon wieder Tränen in die Augen. Wir lachten und weinten und schluckten und griffen blind nacheinander. Wir drei waren jetzt verlorene Waisenkinder, und nur ein Ort konnte uns retten.
    Mary Ann atmete tief ein und aus, verteilte Taschentücher, wischte die Mascara von ihrem Gesicht und sagte: »Let’s go to the beach.«

18. DEAR MR. PRESIDENT
    »Bist du okay? Wie spät ist es?« Mein Mann rieb sich die Augen.
    »Es ist früh. Schlaf weiter«, sagte ich und zog meine Jacke an. Es war kurz nach fünf, und ich konnte nicht mehr am Schreibtisch sitzen. Ich hatte versucht, meine frühmorgendliche me-time effizient zu nutzen, hatte Quittungen aussortiert, E-Mails gecheckt und meine Facebook-Seite aktualisiert. Meine Freundin Judy – auch turbocharged und immer sehr früh wach – hatte mir den Link zu einer amerikanischen Website gemailt, mit einem unendlich deprimierenden Angebot von Klimakteriumswitzen:
     
    Mental anxiety, Mental breakdown, Menstrual cramps, Menopause. Did you ever notice how all women’s problems begin with MEN?
    What’s ten times worse than a woman in menopause?
    Two women in menopause
.
     
    Dazu ein Cartoon mit Schneewittchen und ihren sieben klimakterischen Zwergen
: Itchy, Bitchy, Sweaty, Bloaty, Sleepy, Frightful und Psycho.
    Nach dieser Lektüre brauchte ich dringend frische Luft, zog mich an und ging durch den nebligen Sonnenaufgang Richtung Rathaus Schöneberg.
    Ich liebe es, morgens durch das kleine Stück deutsch-amerikanischer Geschichte meiner Nachbarschaft zu schlendern. Ich wohne in einer Art historischem Bermudadreieck, zwischen dem ehemaligen Rundfunk Im Amerikanischen Sektor – RIAS –, dem ehemaligen Rathaus von Westberlin und, davor, dem John-F.-Kennedy-Platz, wo der junge Präsident seine berühmte Antimauerrede hielt. Ich stelle mir oft den Jubel vor, der im Juni 1963 auf diesem heute fast vergessenen Platz zu erleben war. Die Energie des jungen, gutaussehenden Amerikaners war ansteckend, und zwischen Willy Brandt und Adenauer strahlte er Vitalität und Optimismus aus, wie Obama, bevor er nach Washington ging und regieren musste.
    Es wurde langsam hell, ich saß auf der Treppe vor dem Rathaus, die Lichter der Straßenlaternen auf dem kleinen Parkplatz verschwammen im Nebel, wie in einem Bild von Gerhard Richter. Ich schaute auf die verrosteten Lautsprecher, die immer noch vergessen an den Laternen hingen, wie das Echo Tausender begeisterter Berliner. Ich hörte die unverwechselbare Stimme mit dickem Massachusetts-Akzent: »Ish bin ein Bearleener.«
    Ich schaute mich um und sah einen Mann mit glänzenden Augen in einem eleganten Sechziger-Jahre-Maßanzug, ein Gesicht, das ich in- und auswendig kannte, nicht nur von dem Porträt, das schon immer in unserem Wohnzimmer in Brockton gehangen hatte. Mein Herz hörte auf zu schlagen, und mit erstickter Stimme sagte ich: »Ich auch!«
    Er lächelte mich an und sprach weiter: »I appreciate my interpreter translating my German.«
    Das hat er damals wirklich gesagt, als sein überraschter Dolmetscher seinen deutschen Satz noch einmal auf Deutsch für die Menschenmenge wiederholte. Er war witzig und hatte ein
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