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Some like it heiß

Some like it heiß

Titel: Some like it heiß
Autoren: Gayle Tufts
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nach dem Unterricht zu Mrs. Barboni, der Schulkrankenschwester. In ihrem dunklen und stickigen Büro händigte sie mir einen neutralen Papierumschlag aus, den ich erst zu Hause öffnen sollte. Alles wirkte konspirativ, unangenehm für beide Seiten und fast schon illegal. Auf der Schultoilette zog ich eine Broschüre mit dem Titel »That Special Time« aus dem Umschlag sowie eine Stayfree-Maxipad-Baumwollbinde, die so dick war wie die Wochenendausgabe der New York Times. Bei der Übergabe dieser verbotenen Dokumente hatte Mrs. Barboni kein weiteres Wort zu mir gesagt und nur mit festem Blick in meine schuldbewussten und ahnungslosen Augen geschaut. Sie wäre die ideale Darstellerin einer Geheimagentin in den Sechzigern gewesen, die gefälschte Pässe und Mikrofilme der NATO einige hundert Meter hinter der Mauer an Gleichgesinnte überreicht.Die Broschüre enthielt lauter Geschichten über »bad girls« – schlampige, schwangere Biker-Chicks in Lederjacke, Caprihose und hohen Pumps, mit beehive hairdos und viel zu viel Lidstrich, Amy Winehouse lookalikes –, die ihre Ausbildung abbrechen mussten, weil sie »in trouble« waren, und ihre mysteriös erzeugten Kinder allein erziehen mussten, in Schande und Reue. Ich wollte auf jeden Fall ihren Sinn für Mode, aber auf keinen Fall ihr Schicksal teilen. Das war meine Einführung in the wonderful world of Sexualität. Ich persönlich hätte es mir anders gewünscht, etwas feierlicher vielleicht, mit einem Blumenstrauß oder Erdbeereis, aber es hat trotzdem funktioniert – ich wurde ein »good girl«, ein braves Mädchen ohne jedes Interesse an Sex.
    Zwischen der siebten Klasse und der Senior Prom lagen sechs lange Jahre, um mich von dem Wunder des Lebens zu erholen, meine Libido zu entdecken und mich auf den großen Abend vorzubereiten. Ich bekam ordentlich Unterstützung von James Taylor. Seine Platte »Sweet Baby James« von 1970 war das erste Album, das ich mir von meinem eigenen Geld kaufte. Es war voller wunderschöner, bittersüßer Lieder – von »Fire & Rain« bis »You’ve Got a Friend«. RomantischeGitarrenballaden, die sich direkt in mein pubertierendes Herz bohrten. Vor allem die Cover-Art hatte mich umgehauen: ein verführerisches Porträt von Taylor – lange dunkle Haare, Jeans-Hemd, traurige braune Augen –, ich war schwer verliebt.
    Mit meinem Kopfhörer lag ich auf meinem Bett, das Plattencover in den Händen, und starrte es tagelang an. Das mit einer CD zu versuchen ist sinnlos, mit dem iPod unmöglich. Ich starrte und phantasierte und suchte Antworten auf alle big, cosmic, existential questions that a zehnjähriges Mädchen so hat. (Why fire? Why rain?) Ich dachte, dass ich, und nur ich, den Text wirklich verstand. Warum nur wusste James Taylor das nicht?
    James Taylor kommt auch aus Boston! Er verbringt den Sommer auf Cape Cod! Er war so nah und doch so verdammt weit weg. Wusste er überhaupt, dass ich existierte, und wenn ja, erscheint er irgendwann, bald, und holt mich raus aus Brockton, raus in das wahre Leben, voller Feuer und Regen? Okay, ich war erst zehn, aber ich konnte auch sehr nützlich sein. Schon damals konnte ich gut singen.
    Zwei Jahre später wurde es noch komplizierter.1972 war die Zeit, als meine Mutter sich große Sorgen um mich machte. Spätestens, als mein Bruder mir die Single »Whole Lotta Love« von Led Zeppelin zum Geburtstag schenkte, veränderte sich mein Männergeschmack und damit auch die Inneneinrichtung meines Zimmers. Es war die Zeit des großen Tapetenwechsels: weg mit James Taylor, her mit Robert Plant! Goodbye, David Cassidy, hello, David Bowie! Meine Mutter war schockiert: »They don’t look like they wash!« Es war mir egal, ob sie duschten oder nicht – they rocked!
    Als ich ein Teenager war, habe ich Rockmusik geliebt. Ich profitierte von der Hippie-Folk-Ästhetik meiner Schwester und der Liebe zur Rockmusik meines Bruders. Wir haben zusammen gesungen, gegrooved und geträumt, von einer Welt, viel weiter, wilder und interessanter als unsere eigene. Musik gab uns Hoffnung, war ein Ausweg, eine Tür zu dieser anderen Welt. Jede Textzeile war ein Schlüssel zu einem neuen, unentdeckten Universum: »You need coolin’, baby, I’m not foolin’, I’m gonna send ya back to schoolin’.«
    Ich hatte keine Ahnung, wovon Robert Plant in »Stairway to Heaven« sang, aber ich wollte esunbedingt verstehen – nur wie? Ich spürte ganz deutlich die Energie und den sexuellen Unterton, aber ich hatte Angst: Ich war dick,
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