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Solange du schläfst

Solange du schläfst

Titel: Solange du schläfst
Autoren: Antje Szillat
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heftigen Schubs ließ er meinen Arm los, sodass ich ein paar Schritte nach vorn stolperte.
    Nun war es mit meiner Beherrschung endgültig vorbei. Ich fuhr zu den beiden Typen herum, funkelte sie böse an und schrie: »Von euch lass ich mir ganz bestimmt nichts vorschreiben!« Dann rannte ich los und hielt nicht eher an, bis ich keuchend vor der grün lackierten Bauerntür des ehemaligen Wichmannshofs stand.
    Mit zittrigen Fingern schloss ich die Tür auf, schmiss sie mit voller Wucht hinter mir zu und ließ mich schwer atmend mit dem Rücken dagegensinken.
    Der Appetit auf Hühnersuppe und Baguette war mir gründlich vergangen. Ich beschloss, auf die Weide zu gehen. Rashun und Maschagar würden mich bestimmt auf andere Gedanken bringen.
    Durch die Nebentür in der Küche gelangte ich in den angrenzenden Pferdestall. Als meine Eltern und ich den Hof vor einem halben Jahr zum ersten Mal besichtigt hatten, war mir diese Verbindungstür sofort aufgefallen. Mit Rashun und Maschagar quasi unter einem Dach leben. Besser geht’s nicht, hatte ich schon damals gedacht.
    Ich schlenderte an den leeren Boxen vorbei, nahm mir aus der Futterkiste zwei Möhren und ging durch die Stalltür ins Freie.
    Unsere beiden Vollblutaraber standen friedlich grasend auf der Weide, die sich keine zwanzig Meter vom Haupthaus entfernt über eine mit einem weißen Holzzaun eingegrenzte Fläche von knapp anderthalb Hektar erstreckte.
    »Rashun! Maschagar!«, rief ich und die Köpfe der beiden schnellten in die Höhe. Während Maschagar nur kurz aufblickte und dann weitergraste, kam Rashun angetrabt.
    Ich kletterte zwischen den Holzplanken hindurch und hielt ihm die Möhre hin. Schmatzend zermalmte er sie und ich klopfte ihm dabei sanft den Hals. Auch die zweite Möhre, die eigentlich für Maschagar bestimmt war, schnappte er sich. Doch als er begriff, dass es keine weiteren Leckereien geben würde, wendete er sich ab und trabte zurück.
    »Treuloser Kerl!«, rief ich ihm lachend hinterher und ließ mich ins Gras sinken.
    Seufzend lehnte ich mich an einen der Holzpfosten und ließ meinen Blick über das Anwesen schweifen. Der Hof war wirklich wunderschön. Allerdings hatten meine Eltern auch eine Menge Geld investieren müssen, damit aus der leicht heruntergekommenen Resthofstelle ein Traumhaus samt Traumgrundstück geworden war.
    Ich schloss die Augen und hielt mein Gesicht in die Sonne. Um mich herum herrschte Stille. Nur das Vogelgezwitscher war zu hören. Die Luft roch nach Spätsommer und ich fühlte mich für einen kurzen Moment wie im Paradies. Ein wohliges Glücksgefühl durchströmte mich …
    Gib dich mal lieber nicht mit so ’nem Opferarsch ab, wenn du hier nicht bald verdammt einsam sein willst. Kapito?
, schossen mir die Worte des Dunkelhaarigen wieder durch den Kopf und ich setzte mich erschrocken auf. Mit großen Augen blickte ich mich um.
    »Du leidest echt unter Hallus«, sagte ich schließlich zu mir selbst. »Solche Typen geben verdammt viel Mist von sich, wenn der Tag lang ist.«
    Aber warum hatte Jérôme dann regelrecht die Flucht ergriffen, als er die beiden gesehen hatte?
    Gedankenverloren rappelte ich mich vom Boden hoch, kletterte über die Holzlatten und ging langsam zum Haus zurück.
    Ein gelbes Auto kam die schmale Landstraße entlanggefahren und näherte sich unserem Hof. Hier kam der Postbote nicht vormittags, sondern erst am späten Nachmittag. Das war auch so eine Sache, an die ich mich erst noch gewöhnen musste. Aber ich war mir gar nicht so sicher, ob ich das überhaupt wollte.
    Nach dem Abendessen mit meinen Eltern verzog ich mich schnell in mein Zimmer. Ich hatte keine Lust, mit ihnen über mein Erlebnis im Supermarkt zu reden. Noch angezogen warf ich mich aufs Bett. Dann nahm ich mein Buch vom Nachtschränkchen und begann, darin zu lesen.
    Mitten in der Nacht schreckte ich aus dem Schlaf. Mein Herz pochte gegen meine Brust. Ich brauchte einen Moment, um zu begreifen, wo ich war. Dann merkte ich, dass ich noch meine Jeans und mein Shirt anhatte. Ich musste beim Lesen eingeschlafen sein.
    Eine Weile blieb ich regungslos im Bett liegen, lauschte in die Stille und wartete darauf, dass meine Augen sich an die Dunkelheit gewöhnten.
    Ich warf einen Blick auf den Wecker. Viertel nach zwei.
    Plötzlich hörte ich ein seltsames Geräusch. Es kam von unten. Vielleicht aus der Küche? Ein unruhiges Herumgescharre, dazwischen ein Poltern, so als ob jemand gegen eine Tür oder eine Holzwand treten würde. Waren meine
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