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Solange du schläfst

Solange du schläfst

Titel: Solange du schläfst
Autoren: Antje Szillat
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glauben konnte. Und das Ganze hatte absolut nichts damit zu tun, dass Udo seine Frau betrog, wovon diese inzwischen fest überzeugt war.
    »Was soll denn ein Mann Anfang vierzig sonst treiben, der regelmäßig abends ausgeht, erst am nächsten Morgen wieder zurückkommt und sich dann auch noch weigert, ein Wort darüber zu verlieren?«, hatte Ella erst neulich zu Jérôme gesagt.
    Und Jérôme hatte gedacht: Du wärst froh, wenn sich Udo
nur
wegen einer anderen Frau nachts herumtreiben würde. Den wahren Grund willst du ganz sicher nicht wissen.
    Aber gesagt hatte er nichts. Kein Sterbenswörtchen. Die Sache war einfach zu unglaublich.

3.
    Die Türglocke läutete schrill, als ich den kleinen Dorfladen betrat. Zielstrebig steuerte ich auf das Regal mit den Konserven zu und nahm eine Dose Hühnersuppe heraus. Die Aufback-Baguettes befanden sich im nächsten Gang. Ich schnappte mir zwei Packungen und eilte dann zur Kasse.
    Bloß raus hier, dachte ich und hoffte inständig, dass heute nicht der schmierige Ladenbesitzer da sein würde, sondern seine Mutter. Die alte Frau Aschemann war zwar ebenso neugierig, aber noch einigermaßen erträglich. Was man von ihrem Sohn nicht behaupten konnte.
    Umsonst gehofft. Sekunden später kam Aschemann junior höchstpersönlich aus dem Hinterzimmer geeilt. Augenblicklich hüllte mich eine miefige Schweißwolke ein, sodass ich kaum noch zu atmen wagte.
    »Ach, hallo!«, rief er mir zu und bedachte mich mit einem fiesen Blick.
    Am liebsten hätte ich ihm die Baguettes mitten in sein hässliches puterrotes Gesicht geknallt.
    »Ganz schön heiß heute«, redete er weiter. Seine kleinen, engbeieinanderstehenden Augen waren fest auf den oberen Teil meines Trägertops geheftet.
    Widerlicher Mistkerl!
    Ich bemühte mich, seine Blicke zu ignorieren, legte meine Einkäufe aufs Band und verschränkte die Arme vor der Brust.
    Langsam nahm er die Dose vom Band. »Hühnereintopf. Hmm, eine gute Wahl.« Dabei leckte er sich mit der Zungenspitze über die wulstige Oberlippe.
    Ruhig, Anna. Lass dich von diesem Vollidioten nicht provozieren.
    »Und dazu Baguette. Ob das für den Herrn Vater reicht? Oder kommt er heute etwa gar nicht heim? Sind Mutter und Tochter ganz allein auf dem Hof?«
    Jetzt reicht’s aber, dachte ich. Das war eindeutig zu viel. Was bildete sich dieser Typ eigentlich ein?
    Ich drückte die Schultern durch, bedachte den Widerling mit einem eiskalten Blick und zischte: »Ich wüsste nicht, was Sie das angeht. Kassieren Sie doch bitte einfach nur ab, ja?«
    Schlagartig verging dem Ladeninhaber das schmierige Grinsen. Er schaute mich einen Moment verunsichert an, und ich sah, wie ihm eine dicke Schweißperle von der Stirn rann und auf die Baguettepackung tropfte. Ich schüttelte mich. Schließlich zog er die Lebensmittel über die Scannerfläche, warf einen Blick auf das Kassendisplay und nuschelte: »Das macht vier Euro und siebenundneunzig Cent.« Ich reichte ihm einen Fünf-Euroschein, verstaute die Lebensmittel im Rucksack und nahm die drei Cent Wechselgeld vom Band, die er dort zum Glück ohne ein weiteres Wort hingelegt hatte.
    »Kassenzettel brauche ich nicht!«, rief ich ihm im Rausgehen zu.
    Vor der Tür atmete ich tief durch.
    »Was für ein widerlicher, abartiger, selten blöder Typ«, murmelte ich. Und wem hatte ich diese
nette Begegnung
mit der Fettbacke zu verdanken? Natürlich meiner Mutter. Nur weil sie es nicht geschafft hatte, in die Stadt zum Einkaufen zu fahren.
    Plötzlich hörte ich ein Räuspern hinter mir und fuhr erschrocken herum. Ich blickte in Jérômes Gesicht und lief augenblicklich rot an.
    »Oh … ähm … hallo«, stammelte ich und hätte mich im gleichen Moment dafür ohrfeigen können.
    Seine tiefbraunen Augen musterten mich interessiert.
    Mein Herz verwandelte sich augenblicklich in eine hyperaktive Trommel.
    »Aller guten Dinge sind drei«, sagte Jérôme und grinste mich an. Schon wieder dieses sagenhaft süße Grübchengrinsen.
    »Sich dreimal am Tag
nicht
über den Weg zu laufen, ist wohl die größere Kunst in diesem Kaff«, krächzte ich.
    Jérôme nickte zustimmend. »Das ist wirklich nicht leicht. Und – bist du mit deinem Referat schon weitergekommen? Wie gesagt, mein Angebot steht.«
    »Ähm … ich habe noch gar nicht damit angefangen«, erklärte ich und war ziemlich erleichtert, dass sich meine Stimme schon wieder etwas fester anhörte.
    »Aha«, machte Jérôme.
    »Brauch ich auch gar nicht.«
    »Warum nicht?«
    »Weil ich keins
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