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So weit der Wind uns traegt

So weit der Wind uns traegt

Titel: So weit der Wind uns traegt
Autoren: Linda Howard
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Mann war zäh wie Leder. Beinahe ein ganzes Jahrhundert lastete auf seinen zerbrechlichen Schultern, und Evie fürchtete, dass er höchstens noch zwei oder drei Jahre durchhalten würde. Sie kannte ihn schon sehr lange und freute sich über jede Minute mit ihm. Er genoss diese Besuche ebenfalls. Zwar fuhr er nicht mehr zum Fischen, aber hierwar er den Booten noch nahe. Er hörte, wie das Wasser an den Kai schlug, und roch den See.
    Virgil hatte gerade mit einer weiteren Geschichte begonnen. Evie saß auf einem hohen Hocker und warf von Zeit zu Zeit einen Blick aus dem Fenster, um festzustellen, ob jemand tanken wollte.
    Die Seitentür öffnete sich, und ein großer, schlanker Mann trat ein. Er blieb stehen und nahm die Sonnenbrille ab. Es dauerte eine Weile, bis seine Augen sich an das Dämmerlicht gewöhnt hatten. Dann schlenderte er näher.
    Evie warf ihm nur einen kurzen Blick zu und hörte Virgil weiter zu. Trotzdem waren ihre Sinne plötzlich aufs Höchste geschärft. Sie kannte den Mann nicht, merkte aber sofort, dass er anders war. In Guntersville lebten viele ältere Leute aus den Nordstaaten, die von den milden Wintern, der fehlenden Hektik, den niedrigen Lebenshaltungskosten und der natürlichen Schönheit des Sees angezogen worden waren. Dieser Mann war viel zu jung, um Rentner zu sein. Er trug eine teure Garderobe und blickte hochmütig drein. Evie kannte solche Typen und mochte sie nicht.
    Aber da war noch etwas. Der Mann war gefährlich. Seine starke Willenskraft, die aus den erstaunlich hellen Augen sprach, seine Entschlossenheit und sein Temperament duldeten keinen Widerspruch. Evie hätte nicht sagen können, weshalb, doch sie spürte, dass der Mann eine Bedrohung für sie darstell te.
    „Entschuldigen Sie bitte“, sagte er, und ein seltsamer, kalter Schauer lief ihr bei seiner tiefen Stimme das Rückgrat hinab. Seine Worte klangen betont höflich. Aber der eiserne Wille dahinter verriet dennoch, dass der Mann ihre sofortige Aufmerksamkeit verlangte.
    Evie warf ihm einen weiteren raschen Blick zu. „In einer Minute stehe ich Ihnen ganz und gar zur Verfügung“, sagtesie nicht ganz so freundlich und drehte sich wieder zu Virgil. „Und was geschah dann?“, fragte sie warmherzig.
    Robert ließ sich nichts anmerken, obwohl er sich wunderte. Er war es nicht gewöhnt, unbeachtet zu bleiben, erst recht nicht von einer Frau. Normalerweise reagierten die Frauen sofort auf seine starke männliche Ausstrahlung. Bisher hatte er das immer als selbstverständlich betrachtet. Er erinnerte sich nicht, je eine Frau begehrt und nicht bekommen zu ha ben.
    Trotzdem wollte er warten und die Zeit nutzen, um die Frau zu beobachten. Ihre Erscheinung verwirrte ihn ein wenig, was ebenfalls ungewöhnlich war. Es fiel ihm schwer, seine Erwartungen mit der Wirklichkeit in Einklang zu bringen.
    Dies war Evie Shaw, daran zweifelte er nicht. Doch sie war keineswegs die pummelige Provinzlady, auf die er gefasst gewesen war. Stattdessen … glühte sie geradezu.
    Das war ein irritierender Eindruck, der von den Sonnenstrahlen hervorgerufen wurde, die durch die großen Fenster hereinfielen. Sie umgaben Evies helles Haar mit einem magischen Lichtkranz, brachten ihre haselnussbraunen Augen zum Leuchten und streichelten ihre seidenweiche, goldene Haut.
    Unwillkürlich musste er an lange heiße Nächte und zerknüllte Laken denken.
    Energisch riss Robert sich zusammen und sah sich näher um. So baufällig das Haus war, nach der Anzahl der Angelgeräte zu urteilen, die Evie in ihrem Büro anbot, und der belegten Liegeplätze schien das Geschäft gut zu gehen. Die Zündschlüssel für die Mietboote hingen an einem Holzbrett hinter dem Tresen. Jeder war sauber beschriftet und nummeriert. Wo sie wohl notierte, wer mit welchem Boot unterwegs war?
    Virgil erzählte lebhaft weiter und schlug sich begeistert auf die Knie. Evie Shaw lachte fröhlich auf. Plötzlich erkannteRobert, dass er nur verhaltenes Lachen gewöhnt war. Wie hohl klang das im Vergleich zu dieser unverstellten Fröhlichkeit.
    Er versuchte, dem Drang zu widerstehen und Evie nicht unaufhörlich anzustarren, verlor den Kampf aber bald. Mit einer Mischung aus Verärgerung und Neugier gab er der Versuchung nach und betrachtete sie von Kopf bis Fuß.
    Evie Shaw war nicht der Frauentyp, zu dem er sich sonst hingezogen fühlte. Außerdem war sie eine Hochverräterin oder zumindest in Industriespionage verwickelt. Er würde sie überführen und dann vor Gericht bringen.
    Trotzdem
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