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So schön wie hier kanns im Himmel gar nicht sein!: Tagebuch einer Krebserkrankung (German Edition)

So schön wie hier kanns im Himmel gar nicht sein!: Tagebuch einer Krebserkrankung (German Edition)

Titel: So schön wie hier kanns im Himmel gar nicht sein!: Tagebuch einer Krebserkrankung (German Edition)
Autoren: Christoph Schlingensief
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natürlich gerade wie jemand, der sagt, ich wache nicht mehr auf. Ich wache wieder auf.Aber ich will dann sehen können, dass die Ereignisse meines Lebens zusammenhängen, dass meine Arbeiten sich aufeinander beziehen und sich immer weiter transformiert haben. Mit einem klareren Blick zurück kann man auch viel besser nach vorne gucken. Wenn man hinter sich nur so ein Gewusel an Projekten sieht, dann fällt es schwer zu sagen, so, da geht’s lang. Ich brauche jetzt hinter mir einen aufgeräumten Laden. Der muss nicht klinisch steril sein, aber er muss Orientierung geben.

    Ich bin gerne auf der Welt. Ich möchte gerne auf der Welt Dinge tun.
     
    Vor allem habe ich ein Bedürfnis zu wissen, welche die Momente waren, durch die ich Leute berührt habe. Ich möchte doch am Ende nicht dastehen und sagen müssen: Ich habe mich geil gefühlt und schön viel Scheiße angerührt, mehr war nicht. Ich will keine abgehobene Künstlerfresse sein, die nur sich selbst aufführt und die Ansage macht: Ich habe euch etwas zu sagen, weil ich die Welt anders sehe als ihr. Das ist es nicht. Ich bin gerne auf der Welt. Ich möchte gerne auf der Welt bleiben. Ich möchte gerne auf der Welt Dinge tun.
    Vielleicht muss ich Sachen machen, die sich noch stärker auf die Gesellschaft beziehen. Am Ende, egal wann, will ich sicher sein können, dass meine Arbeit einen sozialen Gedanken hatte. Dass meine Projekte der Frage nachgegangen sind, warum manche Systeme Zwänge brauchen und andere nicht, wie diese merkwürdigen Zwänge funktionieren, und vor allem, warum manche Leute in diesen Systemen nicht vorkommen.
    Deshalb vielleicht diese Idee mit dem Festspielhaus in Afrika. Ich will etwas bauen, wo andere Währungen geschaffen werden können, zusammen mit Leuten, die nicht an der Gelddruckmaschine stehen. Ich stelle mir vor, dass man in einem Dorf eine Kirche, eine Schule, eine Krankenstation und ein Theater mit Probebühnen baut. Vor allem die Probebühnen sind wichtig. Da kommen dann die Leute aus der Gegend hin und erzählen eine Geschichte, erzählen von ihren Gedanken, bringen Gegenstände mit, die ihnen etwas bedeuten, lesen aus einem Buch vor oder was weiß ich. Und deutsche Schauspieler kommen vielleicht zu Besuch und unterrichten die Leute. Jedenfalls toben wir alle gemeinsam rum und stemmen alles auf die Bühne. Das wäre dann eine Art Transformationskasten. Und ich erhoffe mir, dass diese Überblendungen von Bildern und Texten verschiedener Kulturen neueWährungen im System erzeugen. Dann präsentieren wir das Ergebnis hier in Deutschland, topfen die Sache gleichsam um. Dadurch, dass sich jemand anmaßt, etwas aus Afrika hier zu präsentieren, entstehen vielleicht diese Überblendungswährungen. Da muss ich noch mehr drüber nachdenken.

    Heute Mittag habe ich in der Klinik Dr. Bauer, den Internisten, kennengelernt. Der Mann kommt mir sehr offen und klar vor. Er hat sich die Unterlagen erst einmal in Ruhe angeguckt. Meinte, dass diese verdächtige Lymphdrüse, die da entdeckt wurde, nicht zu meinem Lungenkrebs passe. Dass das etwas anderes sein müsse. Er hat auch einen Satz gesagt, der sehr schön klang: Das sei für ihn Krebs, den man entfernen und heilen könne. Er hat wirklich gesagt, dass mein Krebs heilbar sei. Man will nicht euphorisch werden, aber das ist ein wunderschöner Satz. Weil das bedeuten würde, das Ding ist erwischt worden, bevor es losschießen konnte.
    Anschließend wurde die Punktion gemacht. Da wird die Haut betäubt, man kommt in eine Röhre, und der Arzt fährt mit einer langen Spritze in den Körper rein. Fand ich interessant, dass ein spitzer Gegenstand in meinen Körper fährt und ich mir das alles auf einem Monitor anschauen kann.
    Den Befund vom Pathologen gibt es wohl erst nächste Woche. Das ließ mich natürlich wieder verzweifeln, weil ich dachte: Aha, sie haben ganz viele Krebszellen gefunden, jetzt wollen sie nur noch wissen, welche. Deswegen habe ich bei der Blutabnahme den Oberarzt ein wenig gelöchert. Er war sehr nett und hat mich beruhigt: Das sei wirklich alles noch unklar, da müsse man genauer nachschauen. Es könne sogar sein, dass gar nichts Eindeutiges gefunden wird. Das kommt wohl vor, dass man kein Material findet, an dem man etwas erkennen kann. Aber er würde mir in jedem Fall raten, das Ding rausnehmen zu lassen. »Gucken Sie, dass das rauskommt«, sagte er. Wenn es draußen sei, könne man dann genau untersuchen, ob es bösartig ist.
    Das Gespräch hat mir gutgetan. Ist wohl
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