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Snobs: Roman (German Edition)

Snobs: Roman (German Edition)

Titel: Snobs: Roman (German Edition)
Autoren: Julian Fellowes
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dritten Earls an die portugiesische Botschaft im Jahre 1737. An den Earl selbst erinnert im Großen Saal, seinem bevorzugten Raum des Hauses, das von Jarvis stammende lebensgroße Porträt an der einen Seite des italienischen Kamins; auf der anderen Seite hängt als Gegenstück das von Hudson angefertigte Porträt seiner Gemahlin.«
    Edith und ich starrten die Bilder an. Im Porträt der Lady Broughton hatte sich der Maler um einen Ansatz von Frohsinn bemüht, da die junge Frau mit den grobschlächtigen Gesichtszügen auf einer Blumenböschung posierte und in ihrer breiten Hand einen Sommerhut nach unten hängen ließ.
    »In meinem Fitnessstudio gibt es eine Frau, die genauso aussieht«, sagte Edith. »Sie versucht immer, mir Lose für Tombolas der Konservativen anzudrehen.«
    Isabel leierte weitere Details herunter. »Der Kabinettschrank in der Mitte der südlichen Wand stammt von Boulle und ist ein Geschenk von Marie-Josèphe von Sachsen, Gemahlin des französischen Thronfolgers, an die Braut des fünften Earls anlässlich deren Hochzeit. Zwischen den Fenstern …«
    Ich schlenderte zu den genannten hohen Fenstern hinüber und sah in den Park hinunter. Es war einer jener heißen, drückenden Tage Ende August, wenn die Bäume unter ihrer Blätterlast zusammenzubrechen scheinen und das überwältigende Grün der Landschaft schwül und stickig wirkt. Während ich so dastand, kam hinter der Ecke des Hauses ein Mann hervor. Trotz der Hitze war er mit Tweedjackett und Kordhose bekleidet und trug einen dieser langweiligen braunen Filzhüte, die Engländer auf dem Land für flott halten. Er sah hoch und ich erkannte Charles Broughton. Sein Blick streifte mich kaum und wanderte weiter, doch dann blieb Broughton stehen und schaute erneut zu mir hoch. Vermutlich hatte auch er mich wiedererkannt; ich hob grüßend die Hand, was er mit einer flüchtigen Geste beantwortete, dann ging er wieder seiner Wege.
    »Wer war denn das?« Edith stand hinter mir. Auch sie hatte Isabel ihren Litaneien überlassen.
    »Charles Broughton.«
    »Ein Sohn des Hauses?«
    »Der einzige Sohn des Hauses, glaube ich.«
    »Wird er uns zum Tee bitten?«
    »Ich glaube nicht. Ich bin ihm genau zweimal begegnet.«
    Charles bat uns weder zum Tee, noch hätte er einen weiteren Gedanken an mich verschwendet, wenn wir ihm auf dem Rückweg zum Auto nicht über den Weg gelaufen wären. Er unterhielt sich mit einem der vielen Gärtner, die hier herumschwärmten, und beendete gerade das Gespräch, als wir den Vorhof überquerten.
    »Hallo!« Er nickte mir liebenswürdig zu. »Was machen Sie denn hier?« Es war klar, dass er meinen Namen vergessen hatte und wahrscheinlich auch, wo wir uns getroffen hatten; nichtsdestoweniger war er freundlich und wartete, dass ich ihn den anderen vorstellte.
    Isabel war von dieser plötzlichen und unerwarteten Beförderung ins Land, in dem die Träume wahr werden, völlig überrumpelt; sie suchte fieberhaft nach einer faszinierenden Bemerkung, die sich klettengleich in Charles’ Gehirn festhaken und mehr oder weniger sofort zu einer engen Freundschaft führen würde. Doch die Inspiration blieb aus.
    »Er ist gerade bei uns. Wir sind nur zwei Meilen weit entfernt«, sagte sie kühn.
    »Wirklich? Kommen Sie oft in die Gegend?«
    »Wir wohnen hier.«
    »Ah«, sagte Charles. Er wandte sich an Edith: »Wohnen Sie auch hier?«
    Sie lächelte. »Keine Sorge, von mir droht keine Gefahr. Ich lebe in London.«
    Er lachte, und sein fleischiges, kerniges Gesicht sah einen Moment lang sehr anziehend aus. Er nahm den Hut ab, so dass seine blonden, welligen Haare zum Vorschein kamen, die sich im Nacken zu Löckchen kräuselten, Haare, die für den englischen Aristokraten so typisch sind. »Ich hoffe, das Haus hat Ihnen gefallen.«
    Edith lächelte und sagte nichts; sie überließ es Isabel, eine peinliche Nachlese aus dem Führer herunterzuhaspeln.
    Ich schaltete mich ein, um Charles zu erlösen. »Wir sollten allmählich los. David wird sich schon fragen, was wir die ganze Zeit treiben.«
    Wir nickten einander lächelnd zu und tauschten einen kurzen Händedruck, und ein paar Minuten später waren wir unterwegs nach Hause.
    »Du hast mir nie erzählt, dass du Charles Broughton kennst«, sagte Isabel lahm.
    »Ich kenne ihn auch nicht.«
    »Dann hast du eben nie erzählt, dass du ihn getroffen hast.«
    »Hab ich das nicht?«
    Natürlich wusste ich ganz genau, dass ich das nicht hatte. Isabel schwieg den Rest der Heimfahrt. Edith drehte sich auf
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