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Skorpionin: Odenwal - Thriller (German Edition)

Skorpionin: Odenwal - Thriller (German Edition)

Titel: Skorpionin: Odenwal - Thriller (German Edition)
Autoren: Manfred Krämer
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Bewerbungsmappe ausgestattet hatte. Die Orchid-Agency war der sechzehnte Versuch. Das Unternehmen war zweite Wahl, bediente die Firma doch zumeist die großen Versandhäuser und Kaufhausketten. Aber die internationalen Label hatten sie alle ignoriert. Eine einzige Absage war gekommen. Ein vorgefertigtes Schreiben ohne Unterschrift. Es tut uns leid, Ihnen mitteilen zu müssen …
    Und nun das. Orchid-Agency, Essen. Nicht Paris, Hamburg, New York, nein, Essen würde ihr nun einen Korb geben. Sie würde heute Abend wieder ins Labo’s gehen, zu schwitzenden Arschlöchern nett sein, lächelnd Drinks und Snacks servieren und Angebote von „Regisseuren“, „Agenten“ und „Produzenten“ zum Beischlaf mit Karrieregarantie lächelnd ablehnen. Richies harmloser, unbedarfter Sex war die Grenze. Mehr war nicht drin.
    Sie öffnete das Kuvert mit einem Bleistift, nestelte den Brief heraus und las den Text, ohne ihn zu verstehen. Erst beim dritten Versuch beendeten die Buchstaben ihren Tanz, formierten sich zu Worten und Sätzen und schrien sie an. Es ist vorbei! Hau ab! Scheiß auf die Typen im Labo’s! Raus, raus aus dieser miefigen Bude voller bekiffter Spießer, die vorgaben, das Gegenteil zu sein und doch nur arme Schweine voller Illusionen waren! Geh, Annika, geh, die Welt wartet auf dich!
    Die Welt, das war in diesem Fall Essen. Gewerbehofstraße 23 - 31. Orchid-Agency. Sie möge sich zu einem unverbindlichen Vorstellungstermin einfinden. Am 22. Mai. Um 10:30 Uhr. Herr Kaminski erwarte sie. Kaminski … ein Name wie ein Cordhut. Eine Wegbeschreibung war auch dabei. Zehn Gehminuten vom Hauptbahnhof, drei Minuten mit der U-Bahn.
    Hallo Welt, ich komme!

    Es regnete, als sie vorsichtig über das bucklige Straßenpflaster stöckelte. Der ramponierte Rollenkoffer schepperte hinter ihr her, über der Schulter hing ein Kleidersack mit ihren Schätzen, einem kleinen Schwarzen von Chanel, einer mondänen Robe aus dem Schicki-Micki-Second-Hand und einem Etui-Kleid, das ihr eine Freundin vor zwei Jahren als Gesellenstück geschneidert hatte. Unter ihrem hellen Trenchcoat trug sie ein Business-Kostüm, auch aus zweiter Hand. Nur die High-Heels von Manolo Blahnik waren nagelneu. Die Schuhe und die Fahrkarte nach Essen hatten sie fast ihre gesamten Ersparnisse gekostet. Sie würde sich heute höchstens noch einen Automatenkaffee leisten können. Im Koffer befand sich ihre komplette Habe, nachdem sie alles andere ihren Ex-Mitbewohnern für ein paar Mark überlassen hatte. Damit besaß sie wohl weniger als der Stadtstreicher, der sein mit prallen Plastiktüten behängtes Fahrrad über die Straße schob.
    Doch das war ihr gleichgültig. Heute begann ihr neues Leben. Der „unverbindliche Vorstellungstermin“ würde die Leute von Orchid überzeugen. Sie war das Gesicht des neuen Jahrzehnts. Nach ihr würden sich die Modeschöpfer der Welt die Finger lecken. Sie war die Beste!
    Die Gewerbehofstraße entpuppte sich als ein ganzes Industriegebiet und sie hatte Blasen an den Füßen, als sie endlich die richtige Adresse gefunden hatte. Hausnummer 23-31 entpuppte sich als ehemalige Spedition. Eine Ansammlung trister Backsteinbauten mit Rolltoren, Rampen und zersplitterten Scheiben, die besser zu einem Schmuddel-Krimi passten, als zum Start einer Mannequin-Karriere. Sie ging zwischen verrosteten Anhängern, verbeulten Ölfässern und Stapeln von Paletten hindurch und erreichte einen Innenhof, in dem vor einem hässlichen Bürogebäude ein paar PKW standen. Ein schmutziger Ford Escort-Kombi trug die Aufschrift „Foto-Konen“, ein Opel-Kadett und ein VW-Bus in Kommunal-Orange standen neben einem silbernen Siebener BMW. Immerhin. Eine recht neu aussehende Messingtafel neben der Eingangstür trug die Aufschriften
Belinda Marketing; Import-Export Kanoucchi
und
Orchid-Agency
.
    Sie betrat den tristen Flur mit den fleckigen Wänden. Irgendwo dudelte ein Radio, es roch nach kaltem Rauch und einer Mischung aus Heizöl und verdorbenem Obst. Ein handgemaltes Schild mit der Aufschrift
Orchid
wies ihr den Weg über eine breite Steintreppe in den ersten Stock.
    Annika Schmidt versenkte den Griff ihres Trolleys, nahm den Koffer seufzend hoch und schleppte ihn nach oben. Vor einer weiteren Milchglastür blieb sie kurz stehen, um wieder Luft zu holen. Schließlich wollte sie ihrem Entdecker nicht schnaufend und mit roten Wangen gegenüberstehen. Als sie dann durch die Tür trat, hielt sie für einen Augenblick überrascht inne. Das verwahrloste Gelände
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