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Single in the City - Frl. Garbers rennt durch die Stadt

Single in the City - Frl. Garbers rennt durch die Stadt

Titel: Single in the City - Frl. Garbers rennt durch die Stadt
Autoren: Sandra Garbers
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Nacht keine Überraschungen für Sie bereit. Für Sie nicht!
    Doch es gibt auch die anderen Nächte. Die Zaubernächte. Sie sind wie das Gefühl nach gutem Sex. Wir kannten das Geheimwort der Nacht. Es bringt uns in eine der oberen Etagen des BeisheimCenters. Ein Industrieller soll das gesamte Stockwerk gekauft haben. 600 Quadratmeter, 3,6 Millionen Euro, alles für die Tochter. Eine Belohnung für die Eins in der letzten Mathearbeit. Oder so. Wir jedenfalls dürfen eigentlich nur hier sein, weil an den frisch geweißten Wänden des ansonsten recht rohen Rohbaus Kunst hängt. Natürlich sind wir kunstinteressiert, aber man wird doch wohl mal fragen dürfen, wo später die Küche hinkommt und ob man einen Balkon bekommen hätte, wenn man noch ein paar Milliönchen draufgelegt hätte. Oder sind Balkone inzwischen vulgär?
    Man hört russische Sprachfetzen und ein paar hebräische; im Westflügel singt der gebuchte Kammermusiker abwechselnd traurige russische und traurige deutsche Lieder. Gläser werden nur noch an die herausgegeben, die noch keines hatten. Ich mag es, wenn an den richtigen Stellen gespart wird. Ein schlecht angezogener Herr im kurzen Trenchcoat zerrt eine schlecht angezogene Dame mit strammen Schenkeln und einem Glocken-Minirock auf die Tanzfläche. Sie schubsen die Umstehenden mit Tangoschritten an den Rand. Die Gesichter sind verzerrt, die Musik ist wunderschön und russisch. Das Paar will einfach nicht zusammenpassen. Und so ernsthaft sie auch begonnen haben, jetzt gibt es nur noch eine Möglichkeit, um nicht als Lachnummer zu enden. Sie müssten selber lachen. Sie versuchen es, aber es gelingt nicht. Ein Mann in einem schwarzen Gehrock und gegelten blonden Haaren steht am Rande der Tanzfläche und sieht aus, als hätte er zu Hause ein Kätzchen mit Namen Behemot. Einige Männer fordern so brutal Augenkontakt, als hätten sie dafür bezahlt.
    Auch der ältere Herr, der auf jeder Vernissage auftaucht, und sei sie noch so geheim, ist wieder da. Er hat weiße Haare, die selbst dann zu wehen scheinen, wenn es völlig windstill ist. Er kennt viele, aber viele tun so, als kennen sie ihn nicht.
    Sie nicht. Merkwürdigerweise ist es diese Frau, die der ganzen Gesellschaft etwas New-York-Molochhaftes gibt. Sie trägt einen lilafarbenen Anorak und eine ziemlich alte Dauerwelle mit Wollmütze und sieht aus wie jemand, der in der Nähe eines Fast-Food-Restaurants nach angebissenen Burgern sucht. Aber irgendetwas ist an ihr. Und dann sieht man es: Irgendwo unter dem lila Anorakblitzt noch ein bisschen Glanz vergangener Zeiten durch. Früher mag sie der Mittelpunkt jeder Vernissage gewesen sein, hat zu Salons in ihre Stadtwohnung eingeladen, sie war Muse und Geliebte, sie liebte erst Männer, dann Frauen und, wenn es sich ergab, auch alles gleichzeitig. Jetzt ist sie nur noch ein Echo und macht Angst vor dem, was morgen sein könnte.
    Später fahren wir in dem mit Edelholz und Marmor ausgekleideten Fahrstuhl wieder nach unten. »War das der 14. oder der 15. Stock?«, frage ich meine Begleitung, als wir unten auf der Straße stehen. »Der 13½te«, antwortet er.
    Wenig später klingeln wir in Mitte an einer Haustür. Nur ein kleines Klingelschild verweist auf den Klub im ersten Stock des alten Hauses. Die Tür geht fast sofort auf. »Drüben essen sie noch. Aber ihr könnt schon mal ins Kaminzimmer«, sagt man uns. Ins Kaminzimmer! Oh, du holzgetäfeltes Stückchen Glück. Diese Nacht hat uns gern. Wir kuscheln uns in riesige Klubsessel.
    Nebenan im Speisesaal. Wir werfen einen Blick auf die Tischgesellschaft. Ein Däne hält eine Rede auf einen Asiaten, dann hält der Asiate eine Rede auf den Dänen, und er sagt allen, dass er in der nächsten Zeit noch nicht so viel zu tun hat. Wirklich nicht. Man könne ihn gern anrufen. Es soll nicht verzweifelt klingen. Tut es aber.
    Übermütig geworden wollen wir auf noch eine Party. Ein wenig hält der Zauber der Nacht noch an. Noch öffnen sich die Türen. Doch wir sind so heiser, dass wir das Codewort nur flüstern können. Niemand sagt den Satz: »Ich freu mich auf mein Bett.« Das wäre gegen die Spielregeln. Man benutzt das Codewort: »Wollen wir noch einen Schawarma?«

»Ja, Schatz, ich trage dann den Apfelsaftkanister nach oben«

    Es ist ja nicht so, dass man etwas Unmögliches verlangen würde. Nur ein ungestörtes Leben in der Sonne, möglichst Südhalbkugel, und wenn es geht, an der Seite eines ergebenen glutäugigen Latinos,der auf den ersten Blick ein
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