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Silver Moon

Silver Moon

Titel: Silver Moon
Autoren: Elea Noir
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den Wänden, in den Decken und jedem noch so kleinen Detail des alten Hauses. Es wunderte mich nicht, dass Kai seine eigene kleine Hütte bevorzugte. Hätte ich tauschen können, wäre ich auch lieber zu ihm in den Wald gezogen und vielleicht wäre es eines Tages auch vonnöten gewesen, denn ich fragte mich ständig, wie lange das restliche Vermögen vom Hausverkauf bei Vater halten würde, bevor er es wieder komplett in Alkohol eingelöst hatte.
    Unseren Lebensunterhalt musste ich vom Waisengeld meiner Geschwister und meinem Lehrlingsgeld bestreiten; Vater gab nichts dazu, aber das Wirtschaften hatte ich von meiner Mutter gelernt, deshalb kamen wir einigermaßen über die Runden, wenn auch mehr schlecht als recht. Kai hatte ebenfalls einen kleinen Nebenjob, von dem Vater aber nichts wusste. Er trug Zeitungen aus. Jeden Cent, den er dabei verdiente, investierte er in seine Hütte und die Tiere. Nino dagegen hatte ein Händchen für Kunst. Obwohl er erst zehn Jahre war, war er ein begnadeter Zeichner. Hin und wieder verkaufte er seine Bilder auf einem Flohmarkt, um sich von dem Erlös neue Farben leisten zu können. Ich muss gestehen, wir wären prima klargekommen – ohne Vater! Hätte er nicht bei uns gewohnt, hätten wir selbst in dem spärlichen Haus ein schönes Leben führen können und ich hätte es gewagt, an jenem Donnerstag Dr. Keidel keinen weiteren Korb zu geben, aber so musste ich seinem Angebot eine wiederholte Absage erteilen.
    »Warum willst du nicht mit mir ausgehen, Kira? So ein Schürzenjäger, wie hier gemunkelt wird, bin ich gar nicht! Ein einfaches Abendessen in einem netten Lokal würde mir schon genügen – ich werde mich auch ganz brav und zivilisiert verhalten, versprochen!«
    Leicht beschämt sah ich zu Boden und bekam auch noch rote Wangen. »Tut mir leid, Dr. Keidel, aber ich kann nicht. Ich habe zu Hause eine Menge zu tun!«
    »Ja, sie muss ihrem werten Vater den Dreck vor den Füßen wegräumen und ihre drei Geschwister hüten – da bleibt keine Zeit für Privates!«, gab Christiane zum Besten. Ich sah bedrückt weg, aber zu meinem Erstaunen ergriff unser Assistenzarzt Partei für mich.
    »Bitte nicht so abwertend, Christiane! Es ist lobenswert, was Kira für ihre Familie tut! Ihr seid zwar beide achtzehn Jahre, aber euer Leben könnte nicht unterschiedlicher sein. Während du ein Einzelkind bist und von beiden Elternteilen verwöhnt wirst, hat Kira ein härteres Los getroffen, und ich bewundere sie für das, was sie für ihre Geschwister tut. Sie ist volljährig und könnte gehen, ihr eigenes Leben leben, aber nein, sie bleibt und opfert ihre knappe Freizeit für ihre Geschwister – alle Achtung! Aber dennoch werde ich nicht aufgeben und dich weiterhin um ein Rendezvous bitten, Kira, in der Hoffnung, dass du irgendwann schwach werden wirst und meinen strahlend blauen Augen nicht mehr widerstehen kannst!«
    Schmunzelnd und leicht beschämt vermied ich Blickkontakt. Was er sagte, klang überaus nett, aber das ganze Ausmaß meines Schicksals war ihm nicht bekannt. »Irgendwann vielleicht, Doktor«, meinte ich ein wenig traurig und wünschte mir insgeheim, mit ihm ausgehen zu können. Aber wir lebten in Welten, die unterschiedlicher nicht hätten sein können, und so war es sicherlich am besten, dass ich standhaft blieb. »Kira, sag nicht immer Doktor! Komm mir wenigstens so weit entgegen und nenne mich beim Vornamen, du weißt doch, dass ich Raphael heiße!«
    »In Ordnung, Dr. K… ich meine, Ra-phael«, stotterte ich verlegen, da es mir unangenehm war, ihn beim Vornamen zu nennen.
    »Was gibt es denn Wichtiges an einem Freitagabend bei dir zu tun, Kira?«, fragte Raphael interessiert und setzte sich zu uns an den Tisch. Ich fühlte mich leicht in die Enge getrieben und Lügen war noch nie meine Stärke gewesen, also versuchte ich es mit der Wahrheit. »Ich habe einen verletzten Hund gefunden, den ich gerade in Pflege habe. Ich kann unmöglich ausgehen und das kranke Tier mit meinen Geschwistern alleine lassen.«
    Raphael nickte zustimmend. »In Ordnung, das verstehe ich. Aber sobald er gesund und vermittelt ist, werde ich es wieder versuchen!«,
    »Mmh … wäre schön, wenn er wieder gesund wird. Ich bräuchte dringend ein wirksames Antibiotikum für ihn«, flüsterte ich gedankenverloren und musste an den Wolf denken, wobei mir gleich wieder warm ums Herz wurde. »Ein Antibiotikum? Ich könnte dir etwas abzwacken. Am besten wäre für einen Hund etwas zum Spritzen, oder sollten es
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