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Silver Moon

Silver Moon

Titel: Silver Moon
Autoren: Elea Noir
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ihm geblieben, und das war seltsam, denn normalerweise liebte ich meine Arbeit und konnte es kaum erwarten, in die Klinik zu kommen – aber heute war alles anders.

Rückblicke

    Nachdem ich zu Hause das Mittagessen in Rekordzeit zubereitet hatte – ich hatte einen großen Auflauf gemacht, der garte noch, während ich mich umzog –, deckte ich genauso schnell den Tisch und wollte nur noch in die Klinik. Doch Vater, der im Wohnzimmer saß und fernsah, rief mich zu sich.
    »Was treibst du in der Küche? Mach dich sofort her!« Ich atmete tief ein und ging angespannt zu ihm. Er saß wie immer in seinem bunten Ohrensessel, breitbeinig, im befleckten Pyjama und mit einer Flasche Whisky in der Hand. Sein graues Haar war ungekämmt, sein Bart ungepflegt – er war mein Vater, aber ich ekelte mich vor ihm.
    »Ich mache nur das Mittagessen, wie sonst auch«, stotterte ich.
    »Und weshalb machst du so einen Krach dabei? Wo hast du überhaupt den ganzen Morgen gesteckt? Treibst dich wohl rum, du kleines Flittchen!«, fuhr er mich an.
    »Tut mir leid, wenn ich zu laut war, ich musste mich beeilen. Ich war heute Morgen im … Wald, äh … ich wollte Holz sammeln. Da ist ein Loch im Hühnerstall und das w…«
    »Hast du es zugemacht?«, fiel er mir ins Wort. »Nein, Vater, ich habe es noch nicht geschafft, werde es aber gleich morgen tun!«
    »Das will ich hoffen! Hier treibt sich so ein Wolfsvieh herum, nicht dass diese tollwütige Töle noch ein Huhn von uns holt!«
    Ich wurde hellhörig. »Ein Wolf?«, fragte ich vorsichtig.
    »Du weißt doch, dieses Monster der schmutzigen Rothäute. Kommen in unser Land – so ein Pack, und bringen auch noch einen Wolf mit. Abschießen sollte man den und die dreckigen Indianer gleich mit!«, fluchte Vater, nahm etwas Kautabak und spuckte ihn mir vor die Füße. »Das machst du noch weg, bevor du gehst!«, befahl er und ich tat es wie gewohnt, ohne etwas zu sagen. Dabei gingen mir seine Worte durch den Kopf und ließen mich nicht mehr los. Selbst als ich in meinem Kombi saß und auf dem Weg zur Klinik war, hallte es beständig weiter: »Das Monster der Rothäute … Bringen einen Wolf mit.« Ja, natürlich! Mir fiel es wieder ein: Nicht weit von uns, auf der anderen Seite des Waldes, lebte eine Familie indianischen Ursprungs. Und die hatten angeblich einen wolfsähnlichen Hund, wurde gemunkelt. Ich kannte bisher weder die Familie noch den Hund, wir wohnten ja auch noch nicht lange hier, aber ich hatte schon davon gehört. Sie hießen Moore und besaßen eine Pferdezucht sowie einen kleinen Ponyhof; Mia schlich sich manchmal heimlich hin, um die Ponys zu bewundern. Wenn es tatsächlich ihr Hund war, musste ich den Moores Bescheid geben. Ein Blick auf die Uhr zeigte mir allerdings, dass ich spät dran war, zu spät …
    Es nützte alles nichts, ich musste sofort in die Klinik und schaffte es trotzdem nicht, pünktlich zu sein. Sichtlich niedergeschlagen betrat ich die Station 4C und verschwand schweigend ins Schwesternzimmer, um mich umzuziehen. Christiane, auch Auszubildende in dem Krankenhaus, kam hinter mir her.
    »Hallo, Kira, du bist heute spät dran. Gab es zu Hause wieder Ärger?«
    »Nicht wirklich«, antwortete ich kurz angebunden und machte mich flugs an die Arbeit, wobei meine Gedanken ununterbrochen bei dem Wolf blieben. Was er jetzt wohl gerade machte? Ob er noch in der Hütte lag oder vielleicht durchs Fenster verschwunden war? Ich hoffte inständig, dass Kai nach ihm sehen würde, und wäre am liebsten selbst hingefahren, um mich von seiner Anwesenheit zu überzeugen.
    Mein Dienst in der Klinik konnte heute nicht schnell genug vorübergehen. In der einzigen Pause ging ich diesmal nicht wie gewöhnlich in die Cafeteria, sondern rannte über die Straße in den nächsten Supermarkt, um Hundefutter und Kauknochen zu besorgen. Viel zu spät bemerkte ich, dass Christiane mir gefolgt war.
    »Habt ihr einen Hund?«, fragte sie verwundert und deutete auf den Korb mit den verschiedenen Leckereien für Vierbeiner. »Vorerst … er ist uns zugelaufen und ich hoffe, wir finden den Besitzer!«
    »Sag bloß, dein Vater erlaubt euch einen Hund?« Christiane wirkte skeptisch und das zu Recht. Sie war bisher nur einmal bei uns zu Hause gewesen, um mich zur Arbeit abzuholen – einmal und nie wieder! Vaters brutale und verletzende Art hatte sie dermaßen eingeschüchtert, dass sie unseren Hof mied, was ich gut verstehen konnte.
    »Vater weiß nichts von dem Hund. Das Tier ist schwer verletzt und
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