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Silver Moon

Silver Moon

Titel: Silver Moon
Autoren: Elea Noir
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immer!
    Bestürzt löste ich mich aus der Hocke und sah ihn erschrocken an. Kai hatte einen Schuss vermutet. Ich genoss zwar als Krankenschwester eine gute Ausbildung, aber wenn er tatsächlich eine Kugel oder Schrot im Bein hätte, würde ich ihm nicht helfen können, so viel war mir klar. Dennoch wollte ich nachsehen und mein Bestes tun, um seine Schmerzen zu lindern.
    »Wer hat dich nur verletzt? Es tut gewiss sehr weh, du blutest stark! Ich würde gerne den Blutfluss stillen und mir die Verletzung genauer ansehen, aber dazu müsstest du dich hinlegen«, flüsterte ich in die Stille des warmen Frühlingsmorgens. Als hätte er meine Worte verstanden, humpelte der Wolf zu den Decken, die den Boden zierten, und legte sich behutsam vor dem großen Bett nieder. Verwundert schloss ich die Türe, die noch immer offen stand, und begann zögernd den Inhalt meines Rucksackes auszupacken. Die Verbandsmaterialien legte ich gleich neben das Tier, füllte ihm die Schale mit Wasser und er nahm es dankbar an. Liegend trank er, während ich vorsichtig die Wunde begutachtete. Es war definitiv kein Prell- oder Streifschuss, dafür war die Verletzung zu groß. Andererseits war es auch kein Steckschuss, da es auf der Innenseite seines Schenkels eine große Austrittswunde gab – an dieser Stelle blutete er am meisten, also musste es ein glatter Durchschuss gewesen sein. Ich hoffte inständig, dass der Knochen nicht betroffen war und es keine Zersplitterung gab, doch er schien Glück im Unglück gehabt zu haben, und die Kugel war sauber durchgegangen. Das größte Risiko lag bei einer Entzündung.
    »Ich bin Krankenschwester und werde jetzt deine Verletzung säubern und desinfiziere die offenen Stellen. Ich möchte nicht, dass es zu einer Blutvergiftung kommt. Dann werde ich deine Wunde verbinden und dabei die Blutung abdrücken, mehr kann ich momentan leider nicht für dich tun. Aber ich verspreche dir, aus der Klinik Medikamente mitzubringen. Die kann ich dir heute Abend verabreichen, um einer Infektion vorzubeugen, aber du verrätst mich nicht, abgemacht?«, plauderte ich unbekümmert, als hätte ich es mit einem Menschen zu tun.
    Es war komisch … er hörte mir nicht nur zu, sondern schien meine Worte sogar zu verstehen. Mir kam es vor, als nickte er zustimmend und legte sich entspannt zurück, damit ich meine Arbeit an ihm verrichten konnte. Er beobachtete jeden Handgriff, den ich vornehmen musste. Seine tiefschwarzen Pupillen wanderten von den Tupfern zu seinem Bein, zurück zum Wasser, mit dem ich die Verletzung säuberte. Auch als ich zum Desinfizieren Chlorhexidindigluconat großflächig auftrug, waren seine Augen interessiert dabei. Anschließend benutzte ich sterile Kompressen und fixierte sie mit einer Mullbinde. Der Wolf war ein vorbildlicher Patient und ließ geduldig alles über sich ergehen. Manchmal grummelte er leise, was entspannend und wohlwollend klang.
    »Ist der Verband zu fest?«, erkundigte ich mich. Zu dumm, weshalb fragte ich ihn das überhaupt? Er konnte mir ja nicht antworten, doch zu meiner Überraschung schüttelte er seinen Kopf. Ich musste lächeln und setzte gleich nach. »Tut es noch weh?« Wieder schüttelte er verneinend den Kopf und blickte mir tief in die Augen. Dann legte er seine Pfote zärtlich auf meine Hand und mir wurde warm ums Herz. Was war das nur? Verstand er mich etwa wirklich – konnte so etwas möglich sein?
    In jenen Minuten an diesem Tag geschah etwas Ungewöhnliches; es war nicht zu beschreiben, man konnte es nur fühlen. Es glich einer Vereinigung zweier Seelen. Wir wuchsen zusammen und eine Freundschaft wurde geboren, die ein Leben lang halten sollte. Eine nie da gewesene Liebe erfüllte mein Innerstes, wenn ich in seine treuen Augen blickte, und es fiel mir ungeahnt schwer, mich von ihm zu lösen.
    »Ich werde jetzt gehen, ich muss zur Arbeit! Ich kann erst spät am Abend wieder zurückkommen, aber Kai, mein Bruder, wird heute Nachmittag nach dir sehen. Kai liebt Tiere und wird sich gut um dich kümmern!«, erzählte ich ihm und schrieb eine Nachricht für Kai, die ich auf dem kleinen Tisch der Hütte platzierte. Dann wendete ich mich wieder an meinen neuen Freund.
    »Ich fülle dir noch etwas frisches Wasser nach und stelle dir die Reste unseres kalten Bratens hin, du hast gewiss großen Hunger.« Bevor ich mich endgültig auf den Weg machte, streichelte ich ihn ausgiebig und er schleckte über meine Wange. Ich muss zugeben, es tat mir weh zu gehen. Viel lieber wäre ich bei
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