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Silberschweine

Silberschweine

Titel: Silberschweine
Autoren: Lindsey Davis
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angepinselt haben, aber ein bißchen aufdringlich wirkt es schon. Bei der hier war es subtiler und viel wirkungsvoller, bloß daß ihr bei dem Herumrennen in der Hitze das eine Auge ein bißchen verschmiert war. Sie hatte übrigens braune, weit auseinanderliegende Augen, wunderbar arglose Augen.
    Lenia hatte lange vor mir genug vom Hinsehen.
    »Kinderschänder!« sagte sie. »Los, pinkel in den Eimer, bevor du sie mit nach oben nimmst!«
    Nicht daß mich Lenia für krankhaft veranlagt hielt und deshalb eine Urinprobe von mir wollte; es war vielmehr ein ganz und gar freundlich gemeintes Angebot mit geschäftlichem Hintergrund.
    Die Sache mit dem Eimer und dem Bleichbottich muß ich wohl erklären.
    Viel später erzählte ich diese ganze Geschichte mal einer Bekannten, und wir unterhielten uns darüber, mit welchen Mitteln die Wäschereien Kleider bleichen.
    »Ausgelaugte Holzasche?« schlug meine Bekannte zögernd vor.
    Sie benutzen tatsächlich Asche, Pottasche. Sie benutzen auch Soda und Bleicherde, und für die prachtvollen Gewänder der Wahlkandidaten verwenden sie Pfeifenton. Aber die echten alten Togen unseres großartigen Imperiums werden wirklich und wahrhaftig mit dem Urin aus den öffentlichen Latrinen gebleicht. Kaiser Vespasian, der immer originelle Einfälle hatte, wenn es darum ging, bei den Leuten Geld lockerzumachen, hatte diesen altehrwürdigen Handel mit menschlichem Unrat eines Tages mit einer Steuer belegt, und Lenia bezahlte die Steuer auch, aber sie ergänzte ihre Vorräte kostenlos, wo immer es ging oder vielmehr lief.
    Die Frau, der ich diese Geschichte erzählte, bemerkte dazu nur ganz trocken: »In der Salatzeit, wenn alle Leute Rote Beete essen, ist die Hälfte der Togen auf dem Forum wohl in einem dezenten Rosa gefärbt. Oder werden sie ausgespült?«
    Damals zuckte ich die Achseln und ließ die Sache auf sich beruhen. Auch an dieser Stelle hätte ich derart unappetitliche Einzelheiten nicht zur Sprache gebracht, wenn Lenias Bleichbottich nicht eine entscheidende Rolle in dieser Geschichte gespielt hätte.
    Da ich im sechsten Stock eines Blocks wohnte, der nicht besser ausgestattet war als andere Mietskasernen in Rom auch, betrachtete ich Lenias Eimer seit langem als einen lieben Freund.
    Lenia klang nicht unfreundlich, als sie meiner Besucherin anbot: »Kleine Mädchen gehen hinter die Krempelgestelle.«
    »Lenia, bring meine reizende Klientin nicht in Verlegenheit!« Ich errötete für sie.
    »Ach, ich bin tatsächlich ziemlich überstürzt von zu Hause weg –«
    Hübsch und hastig huschte meine Klientin hinter die Recks, auf denen die Kleider, nachdem sie getrocknet waren, mit Karden gekratzt wurden, um den Flor wieder aufzurichten. Während ich auf sie wartete, füllte ich meinen Eimer und unterhielt mich mit Lenia über das Wetter. Wie man das so tut.
    Nach fünf Minuten ging mir das Wetter aus.
    »Verschwinde, Falco!« begrüßte mich eine Wollkämmerin, als ich hinter die Gestelle spähte. Von meiner Klientin keine Spur.
    Wäre sie weniger attraktiv gewesen, hätte ich sie vielleicht laufen lassen. Aber sie war nun mal außerordentlich attraktiv – und ich sah überhaupt keinen Grund, diese Unschuld irgendeinem anderen zu überlassen. Fluchend zwängte ich mich an den riesigen Kleiderpressen vorbei und in den Hof der Wäscherei hinaus.
    Über einer Feuerstelle wurde dort das Brunnenwasser für die Wäsche erhitzt. Auf Gestellen aus Weidenzweigen waren Kleider über Heizpfannen ausgebreitet, in denen Schwefel brannte, dessen Rauch die weißen Kleider aufgrund irgendeiner geheimnisvollen Chemie noch weißer macht. Ein paar junge Burschen standen herum und amüsierten sich über meinen Zorn, außerdem stank es abscheulich. Von meiner Klientin war nichts zu sehen. Ich sprang über einen Handkarren und rannte los, die Gasse hinunter.
    Sie hatte die rußschwarzen Öfen des Färbers hinter sich gelassen, den Misthaufen überwunden und war auch an den Geflügelkäfigen schon halb vorbei, wo ein paar fußlahme Gänse und ein roter Flamingo mit hängendem Kopf auf den Markt am nächsten Tag warteten. Als ich herankam, hatte sie vor einem Seiler gebremst, der ihr den Weg versperrte und gerade begann, sich den Gürtel vom Wanst zu schnallen, um sie mit jener beiläufigen Brutalität zu vergewaltigen, die in Vierteln wie diesem als Sinn für die Schönheit der weiblichen Gestalt galt. Ich bedankte mich bei dem Seiler dafür, daß er sich um sie gekümmert hatte, und schleppte sie, bevor einer
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