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Sigma Force 06 - Das Flammenzeichen

Sigma Force 06 - Das Flammenzeichen

Titel: Sigma Force 06 - Das Flammenzeichen
Autoren: James Rollins
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Stoßgebet um Vergebung für diesen Übergriff. Der Junge
konnte ihnen keine Absolution mehr erteilen, sondern nur noch ihre schlimmsten Befürchtungen bestätigen.
    Girard zog den Magen hervor, gummiartig und weiß, verbunden mit der angeschwollenen dunkelroten Milz. Mit ein paar Schnitten löste der Franzose das Organ und legte es auf den Tisch. Mit einem weiteren Schnitt öffnete er den Magen. Eine grünliche Mischung aus unverdautem Brot und Getreide quoll wie aus einem verdorbenen Füllhorn hervor.
    Ein übler, durchdringender Geruch stieg auf. Martin schlug die Hand vor Mund und Nase – nicht um sich vor dem Gestank zu schützen, sondern als Reaktion auf die grauenhafte Gewissheit.
    »Verhungert, das ist mal klar«, sagte Girard. »Aber der Junge ist mit vollem Bauch verhungert.«
    Martin wich zurück. Auf einmal fröstelte er. Jetzt hatten sie den Beweis. Um sich letzte Gewissheit zu verschaffen, würden sie noch ein paar andere Leichen untersuchen. Doch offenbar war die Todesursache hier die gleiche wie auf der Insel, einem Ort, der im Domesday Book als »verwüstet« markiert war.
    Martin starrte den ausgeweideten Jungen an. Dies war der eigentliche Grund, weshalb die Untersuchung überhaupt erst in Angriff genommen worden war. Sie sollten den Ursprung der Seuche ausfindig machen und sie ausrotten, ehe sie sich ausbreiten konnte. Die Todesursache war die gleiche wie auf der abgelegenen Insel. Die Erkrankten hatten sich den Bauch vollgestopft und waren dennoch verhungert. Sie hatten so viel in sich hineinschlingen können, wie sie wollten, doch es hatte nichts genützt.
    Martin brauchte dringend frische Luft. Er wandte sich vom Seziertisch ab, trat hinaus in den Sonnenschein und ließ den Blick über die grünen, fruchtbaren Hügel schweifen. Eine Windbö strich über die Gersten-, Hafer-, Weizen- und Roggenfelder.
Er stellte sich einen im Meer treibenden Mann vor, der inmitten von ungenießbarem Wasser verdurstete.
    Hier war es ganz ähnlich.
    Martin schauderte im fahlen Sonnenschein. Er wünschte sich möglichst weit weg von diesem Ort, doch ein Ruf lenkte seine Aufmerksamkeit nach rechts, zur anderen Seite des Dorfangers. In einer offenen Tür stand ein schwarz gekleideter Mann. Einen Moment lang fürchtete Martin schon, dies sei der leibhaftige Tod, doch dann winkte die Gestalt und zerstörte damit die Illusion. Das war Abt Orren, das letzte Mitglied ihrer Gruppe, der Vorstand der Abtei Kells in Irland. Er stand im Eingang der Dorfkirche.
    »Das musst du dir mal ansehen!«, rief der Abt.
    Martin stolperte ihm entgegen. Es war eher ein Reflex als das Ergebnis einer bewussten Entscheidung. Er wollte nicht in die Schmiede zurückkehren. Den Jungen würde er dem französischen Feldscher überlassen. Er überquerte den Anger und stieg die Treppe hoch.
    »Was gibt es, Abt Orren?«
    Der Mann drehte sich um und trat in die Kirche. »Blasphemie! «, schimpfte der irische Abt. »Der heilige Ort ist geschändet worden. Kein Wunder, dass alle tot sind.«
    Martin eilte dem Abt hinterher. Der Mann war klapperdürr und wirkte in dem viel zu weiten Reiseumhang wie ein Gespenst. Er hatte als Einziger die Insel vor der irischen Küste besucht und die dortigen Verwüstungen mit eigenen Augen gesehen.
    »Hast du gefunden, wonach du gesucht hast?«, fragte Martin.
    Ohne zu antworten, ging der Abt weiter in die primitive Kirche hinein. Martin blieb nichts anderes übrig, als ihm zu folgen. Dies war ein düsterer, freudloser Ort, der nackte Erdboden war mit Binsen bedeckt. Es gab keine Sitzbänke, und die
schweren Dachbalken hingen dicht über ihren Köpfen. Licht spendeten allein zwei hohe, schmale Fenster an der Rückwand der Kirche. Die Lichtstrahlen, in denen Staubteilchen tanzten, fielen auf den Altarstein. Früher einmal war der nackte Stein wohl von einem Tuch bedeckt gewesen, doch jemand hatte es auf den Boden geworfen, vermutlich der Abt bei seiner Suche.
    Abt Orren ging zum Altar und zeigte auf den nackten Stein. Seine Schultern bebten vor Empörung. »Blasphemie!«, wiederholte er. »Heidnische Symbole in einem Gotteshaus!«
    Martin trat neben ihn und beugte sich über den Altar. In den Stein waren Sonnen und Spiralen eingeritzt, außerdem Kreise und eigentümlich verschlungene Formen, alles offenbar heidnischer Herkunft.
    »Wie kommen diese frommen Leute dazu, eine solche Sünde zu begehen?«
    »Ich glaube nicht, dass dies die Bewohner von Highglen waren«, sagte Martin. Er fuhr mit der Hand über den Altar und
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