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Sieben Siegel 03 - Die Katakomben des Damiano

Sieben Siegel 03 - Die Katakomben des Damiano

Titel: Sieben Siegel 03 - Die Katakomben des Damiano
Autoren: Kai Meyer
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ihren Ekel weit genug in den Griff bekam, um einen Blick in das Loch zu riskieren. Sie spürte, wie das Frühstück ihre Speiseröhre hinaufschoss – die Schwefeldünste waren fast mehr, als sie ertragen konnte. Trotzdem erkannte sie, dass unterhalb der Öffnung absolute Schwärze herrschte. Was immer dort unten war, es lag in völliger Finsternis.
    Professor Rabenson wedelte hektisch mit der Taschenlampe. »Los, raus hier!«, rief er. »Ich will nicht derjenige sein, der euren Eltern erklären muss, dass ihr alle mit Vergiftungen in irgendeinem italienischen Krankenhaus liegt.«
    Es kam öfters vor, dass er völlig übersah, dass er selbst Kyras Vater war. Die beiden trafen sich nur wenige Male im Jahr, immer während der Schulferien, wenn der Professor nach Giebelstein kam, um Kyra und ihre drei Freunde mit auf eine seiner Reisen zu nehmen. Die übrige Zeit lebte Kyra bei ihrer Tante Kassandra. Ihr Vater bereiste derweil die Welt und betrieb in den entlegensten Gegenden Recherchen für seine Bücher.
    Die Kinder stürmten mit verdeckten Gesichtern am Professor vorüber, während der sie mit der Lampe Richtung Ausgang winkte. Er folgte ihnen erst, als sie den Gewölbekeller verlassen hatten und durch den Gang zur Treppe liefen.
    Hintereinander hasteten sie zur Oberfläche und gelangten schließlich in die Überreste einer alten Kapelle. Sie lag im Zentrum des Klostergeländes. Dach und Wände waren noch erhalten, aber es gab keine Fensterscheiben mehr. Auch war die gesamte Einrichtung verschwunden, einschließlich des Altars. Zwischen den Bodenplatten wucherte Unkraut, die Mauern waren mit Efeu bewachsen. Tageslicht fiel durch die Fensterrahmen und den leeren Bogen des Haupteingangs.
    Die fünf stolperten noch einige Meter weiter, dann erst blieben sie stehen, hustend und keuchend.
    »Liebe Güte«, stöhnte Professor Rabenson. »Was, um alles in der Welt, war das?«
    »Du bist der Fachmann.« Kyra hatte das Gefühl, ihr ganzer Mund schmecke nach den Dünsten aus dem Inneren der Erde.
    »Verwesungsgestank?«, meinte Chris.
    Der Professor schüttelte den Kopf. »Riecht anders.«
    Nils wischte sich Schweiß von der Stirn. »Vielleicht eine Schwefelader. Irgendein Gas.«
    Kyras Vater räusperte sich, warf noch einen Blick zurück zur Kellertreppe und sagte dann: »Kommt, wir fahren ins Dorf. Auf den Schrecken gibt’s erst mal gelato. Oder ist euch die Lust auf Eis vergangen?«
    Die Kinder schüttelten eilig die Köpfe. Nils und Chris grinsten sich an.
    Nur Kyra blieb skeptisch. »Willst du die Luke einfach offen stehen lassen?«
    »Es wird schon keiner reinfallen. Außer uns und Doktor Richardson ist ja keiner hier. Und die ist heute den ganzen Tag über im Park beschäftigt. Ich glaube, irgendwo in der Nähe des Elektrozauns.«
    Doktor Sarah Richardson war eine Wissenschaftlerin aus Philadelphia. Ebenso wie Kyras Vater hatte sie eine der seltenen Genehmigungen erhalten, auf dem Gelände von San Cosimo Forschungen zu betreiben. Sie war etwa so alt wie der Professor und machte ihm derart schöne Augen, dass es den Kindern gleich am ersten Tag aufgefallen war. Nur Professor Rabenson selbst schien die Bemühungen der Amerikanerin nicht zu bemerken, so besessen war er von seiner Arbeit.
    Eigentlich war in seinem Leben ohnehin kein Platz für andere Menschen. Kyra hatte das oft genug zu spüren bekommen, etwa wenn er wieder einmal einen versprochenen Besuch in Giebelstein abgesagt hatte. Für sie war er viel mehr ein guter Freund, dem sie hin und wieder begegnete, als ein wirklicher Vater. Tante Kassandra ersetzte ihr seit vielen Jahren beide Eltern, und alle fanden, dass dies die beste Lösung wäre. Ja, Tante Kassandra war zweifellos die Größte.
    Die Kinder und der Professor machten sich auf den Weg. Die Kapelle befand sich inmitten eines verwilderten Dickichts, das einst der Innenhof des Klosters gewesen war. Rundherum standen die Ruinen des Gemäuers, erstaunlich gut erhalten für ihr Alter. Fast alle Gebäude waren unversehrt, abgesehen von fehlendem Fensterglas und verrotteten Türen. Der ehemalige Park, der das Kloster auf allen Seiten umschloss, hatte sich in eine wuchernde Urlandschaft verwandelt. Wilder Wein, Zypressen, Klatschmohn und Macchiabüsche bildeten einen dichten Dschungel.
    Nur ein schmaler Weg führte von den Ruinen zum Tor der hohen Starkstromumzäunung, die das Gelände als Schutz vor Plünderern und Herumtreibern umschloss.
    Während der Professor den Motor seines gemieteten Jeeps anwarf,
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