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Sieben Jahre später

Sieben Jahre später

Titel: Sieben Jahre später
Autoren: Guillaume Musso
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umklammerte das Handy.
    »Hast du die Polizei benachrichtigt?«
    »Das wäre, glaube ich, keine gute Idee.«
    »Warum?«
    »Komm her, dann erkläre ich es dir.«
    »Ich komme«, sagte er und beendete das Gespräch.

Kapitel 5
    Sebastian fand an der Ecke Van Brunt/Sullivan Street einen Parkplatz. Wegen des dichten Verkehrs hatte er fast eine Dreiviertelstunde für die Fahrt bis Brooklyn gebraucht.
    Seit der Scheidung wohnte Nikki mit Jeremy im Westen von South Brooklyn, im Viertel Red Hook, der ehemaligen Hochburg der Hafenarbeiter und der Mafia. Die Enklave, die einst schlecht an die öffentlichen Verkehrsmittel angebunden gewesen war, hatte lange unter ihrer Abgeschiedenheit und ihrem schlechten Ruf gelitten. Diese düstere Vergangenheit war jedoch längst vorüber. Das heutige Red Hook hatte nichts mehr mit dem gefährlichen Underground-Viertel der 1980er- und 1990er-Jahre zu tun. Wie viele andere Ecken Brooklyns war es zu einem Stadtteil geworden, der sich mitten im Wandel befand und jetzt hype und unkonventionell war, sodass sich hier immer mehr Künstler und Kreative niederließen.
    Sebastian kam nur sehr selten hierher. Hin und wieder ergab es sich, dass er Camille samstags vorbeibrachte, allerdings hatte er noch nie einen Fuß in die Wohnung seiner Exfrau gesetzt. Bei jedem seiner Abstecher nach Brooklyn war er überrascht von der Geschwindigkeit, mit der dieses Viertel sich veränderte. Baufällige Lagerhallen und die Docks wichen von heute auf morgen Kunstgalerien und Biorestaurants.
    Sebastian sperrte sein Auto ab und lief die Straße entlang bis zur roten Backsteinfassade einer ehemaligen Papierfabrik, die in ein Wohnhaus umgewandelt worden war. Er betrat das Gebäude und eilte die Treppe bis zur vorletzten Etage hinauf. Nikki erwartete ihn an der Schwelle einer Brandschutztür, die zur Wohnung führte.
    »Guten Tag, Sebastian.«
    Er betrachtete sie, ernsthaft bemüht, seine Gefühle im Zaum zu halten. Sie hatte sich ihre sportlich-schlanke Figur bewahrt: breite Schultern, schmale Taille, lange Beine, straffer, knackiger Po.
    Ihr Gesicht war noch immer auffallend hübsch: hohe Wangenknochen, schmale Nase, Raubkatzenblick. Sie tat jedoch alles, um diese Anmut hinter einer trügerisch lässigen Art zu verbergen. Ihr langes, rot gefärbtes Haar war zu zwei Zöpfen geflochten, die sie zu einem unförmigen Knoten hochgesteckt hatte. Ihre mandelförmigen grünen Augen waren mit zu viel Kajal umrandet, ihr gertenschlanker Körper verschwand in einer Pumphose, die Brust war in ein übertrieben ausgeschnittenes T-Shirt gezwängt.
    »Hallo, Nikki«, antwortete er und betrat unaufgefordert die Wohnung.
    Er konnte nicht umhin, sich neugierig umzusehen. In der ehemaligen Fabrik verbarg sich ein weitläufiges Loft, das stolz seine industrielle Vergangenheit zeigte: abgebeizter, gekalkter Parkettboden, Sichtbalken, Dachstuhl und Stützen aus Gusseisen, Mauerstücke aus alten Backsteinen. Überall standen zum Trocknen an den Wänden große abstrakte Gemälde, die Nikki gemalt hatte. Sebastian fand die Einrichtung völlig ausgeflippt. Bunt zusammengewürfeltes Mobiliar, wahrscheinlich vom Flohmarkt, vom alten Chesterfieldsofa bis zum Wohnzimmertisch, der aus einer großen verrosteten auf zwei Böcken ruhenden Tür bestand. Wahrscheinlich folgte alles einer ästhetischen Logik, die sich ihm allerdings nicht erschloss.
    »Also, was ist das für eine Geschichte?«, fragte er in herrischem Ton.
    »Wie ich dir schon erklärte: Seit Samstagmorgen habe ich von Jeremy nichts mehr gehört.«
    Er schüttelte den Kopf.
    »Samstagmorgen? Wir haben bereits Dienstag!«
    »Ich weiß.«
    »Und Sorgen machst du dir erst jetzt?«
    »Ich habe dich angerufen, damit du mich unterstützt, und nicht, um mir deine Vorwürfe anzuhören.«
    »Hör mal, in was für einer Welt lebst du? Du weißt ja wohl, wie es um die Wahrscheinlichkeit steht, ein Kind achtundvierzig Stunden nach seinem Verschwinden zu finden?«
    Sie unterdrückte einen Schrei, packte ihn heftig am Mantelkragen, um ihn aus der Wohnung zu schieben.
    »Verzieh dich! Wenn du nicht gekommen bist, um mir zu helfen, fahr heim!«
    Überrascht von der Heftigkeit ihrer Reaktion, befreite er sich, ergriff Nikkis Hände und hielt sie fest.
    »Erkläre mir, warum du mich nicht früher benachrichtigt hast.«
    Sie sah ihn eindringlich an. Ihre Augen hatten einen trotzigen Ausdruck.
    »Wenn du etwas mehr Interesse für deinen Sohn zeigen würdest, hätte ich vielleicht nicht so lange
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