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Shadow Touch

Titel: Shadow Touch
Autoren: Marjorie M. Liu
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schließlich ihre Vermutungen und sah alle am Tisch trotzig an. »Jedenfalls keine, die mich aufnehmen will.«
    Das Schweigen am Tisch wurde durch Amiris Seufzer gebrochen. »Das kann ich mir gar nicht vorstellen. Warum hast du vorher nie darüber gesprochen?«
    Rik warf ihm einen vielsagenden Blick zu und sah dann Artur scharf an. »Werden Dirk und Steele mich engagieren? Ich will keine Sonderbehandlung, nur weil ich bin, was ich bin. Und ich kann lernen.«
    Elena fühlte Arturs Zurückhaltung. Nachdem sie sein Gespräch mit Nancy Dirk belauscht hatte, kannte sie den Grund für seine Unentschlossenheit. Gott, sie fühlte sich wie eine ausgewachsene Bewohnerin der Twilight-Zone, nur dass dies hier noch viel schlimmer war. Wie könnte man sich auch erst mit dieser verrückten Situation abfinden und dann wieder so tun, als wäre das Leben normal ? Wie sollte sie auch wieder ein ganz normales Mädchen werden, ein - zugegeben - normales Mädchen, das manchmal Wunder wirken konnte?
    »Keine Gefälligkeiten«, erwiderte Artur schließlich ruhig. »Ich bin sicher, dass Roland Ihnen einen Job anbieten würde, allerdings zunächst auf Probe.«
    »Das würde genügen.« Rik betrachtete seine Hände. »Und du, Amiri?«
    Amiri blickte ebenfalls auf seine Hände. »Obwohl Beatrix tot ist, ist es zu Hause vielleicht nicht mehr sicher für mich. Ich weiß nicht, wo diese Fotos am Ende gelandet sind. Also bleibe ich. Ich habe auch schon mit Roland gesprochen. Er bereitet gerade die notwendigen Unterlagen vor.«
    »Nett.« Elena trank einen Schluck Bier. Sie hatte den Anflug von Erleichterung auf Riks Gesicht bemerkt. »Die alte Bande gluckt wieder zusammen. Wir können ja über unsere Erfahrungen im Labor plaudern, wenn es uns zu langweilig wird.«
    »Ich glaube, da habe ich euch allen etwas voraus«, sagte Rik. »Ich wette, dass keiner von euch so gründlich getestet wurde.«
    Elena hob die Hände. »Kein Wort mehr, bitte.«
    »Wann fahren Sie nach Wisconsin?«, fuhr Amiri höflich fort, während er sein Steak schnitt. Die goldenen Strähnen in seinem Haar wirkten heute besonders hell, und seine dunkle Haut schimmerte glatt und warm.
    »Ende der Woche. Ich werde Artur beibringen, wie man Obstfarmer wird.«
    Für eine Weile jedenfalls. Lange genug, um die Ernte einzufahren. Genug Zeit, um dem Krankenhaus einen Besuch abzustatten und nach den Kindern zu sehen. Elena sagte ihnen nicht, dass sie nach ihrem Besuch in Wisconsin nach Russland zurückkehren würden. Sie hatten dort noch einiges zu erledigen. Vielmehr, Artur hatte noch etwas zu tun. Es wurde Zeit, hatte er ihr gesagt, dass er zu dem Waisenhaus zurückkehrte. Zeit, über die alten Straßen zu schlendern und sich seinen Albträumen zu stellen, Albträumen, mit denen er Elena nicht belasten wollte.
    Irgendwie war es seltsam: Sie wusste zwar nicht, was mit ihnen geschehen würde, sie wusste jedoch, dass es nicht einfach werden würde, so oder so. Aber sie freute sich auf das Abenteuer, mit Artur Loginov zu leben und ihn zu lieben. Er war ihr bester Freund, und sie war seine beste Freundin. Sie waren ihre eigenen Helden. Viel besser konnte es nicht kommen.
    Es klingelte. Artur runzelte die Stirn.
    »Erwarten wir noch jemanden?«, erkundigte sich Elena, obwohl sie die Antwort eigentlich kannte. Aber sie hatte die Frage wegen Amiri und Rik gestellt. Alle standen auf, und einen Augenblick lang war es so, als wären sie wieder in der Einrichtung, oder im Wald, im Zug: Sie waren kampfbereit, fertig zur Flucht. Vielleicht würden sie für den Rest ihres Lebens so sein: immer auf das Schlimmste gefasst - und auf das Beste hoffend.
    Sie folgten Artur wie Kinder in den Flur, drängten sich hinter ihm, als er die Tür öffnete.
    »Hi.« Rictor hatte einen Farn in der Hand, in einem Topf. »Haben Sie mich vermisst?«
    Artur hätte ihm fast die Tür vor der Nase zugeschlagen. Elena nahm seinen Arm.
    »Ja«, sagte sie und warf ihrem Ehemann einen strengen Blick zu. »Haben wir.«
    »Ich nicht«, erklärte Rik und pulte mit einem Fingernagel in den Zähnen.
    »Das ist okay«, gab Rictor zurück. »Ich bin auch nicht hier, weil ich Sie besuchen wollte.«
    Elena legte noch ein Gedeck auf. Rictor drückte ihr den Farn in die Hand. Sie stellte ihn mitten auf den Tisch, neben die Vase mit den Tulpen, die ein Geschenk von Mikhail gewesen waren, der kürzlich mit seiner Familie in Boston eingetroffen war.
    Rictor setzte sich. Schweigen breitete sich aus. Elena war froh darüber. Das gab ihr Zeit,
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