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Serial

Serial

Titel: Serial
Autoren: J Kilborn , Blake Crouch
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Hotels liefen unzählige gut gekleidete Erwachsene herum, die noch älter als ihre Mutter waren.
    Der Kongress begann offiziell nicht vor dem nächsten Morgen, sodass niemand einen Ausweis trug. Aber Lucy war sicher, dass ihr bereits unzählige berühmte Krimiautoren über den Weg gelaufen waren, vielleicht sogar solche, die sie gelesen hatte. Doch sie war eigentlich nur wegen eines Mannes gekommen: Andrew Z. Thomas. Er war als Ehrengast eingeladen, und nur seinetwegen hatte sie das Auto ihrer Mutter gestohlen und war tausend Kilometer mit ihrem provisorischen Führerschein nach Indianapolis gefahren. Aber Andrew Z. Thomas war weit und breit nicht zu sehen. Allein der Gedanke, dass er sich in dem gleichen Gebäude wie sie befinden könnte, ließ ihre Knie zittern.
    » Hallo.«
    Lucy drehte sich um und starrte in die Augen der Bedienung, die jetzt an ihrem Tisch stand. Es war ein hübsches Mädchen und studierte wahrscheinlich am College. Ihr dunkelblondes Haar trug sie in einem Pferdeschwanz.
    » Ich hätte gern ein Wasser«, meinte Lucy.
    » Tut mir leid, aber du darfst hier nicht sitzen, Süße.«
    » Wieso nicht?«
    » Wie alt bist du?«
    » Zweiundzwanzig.«
    Die Bedienung lachte. » Ich bin dreiundzwanzig, Kleine. Und du bist nie im Leben nur ein Jahr jünger als ich.«
    » Bitte schick mich nicht fort. Ich kann…«
    » Ich bekomme Probleme mit dem Manager, wenn er dich hier sitzen sieht. Wie gesagt, tut mir leid.«
    Lucy warf der Bedienung einen beleidigten Blick zu, nahm ihre Handtasche vom Tisch und stand auf. Das Hotel hatte ihr bereits ein Zimmer wegen ihres Alters versagt. Und jetzt das. So eine blöde Absteige.
    Sie war nicht einmal einen Meter fünfzig groß, doch jetzt fühlte sie sich noch kleiner, als sie durch die Mengen der plaudernden Erwachsenen in der Empfangshalle schlich.
    » …hat einen Deal für zwei Bücher in den mittleren Hunderttausenden gelandet. Das kommt mir wie ein Verbrechen vor, wenn man bedenkt, dass das letzte noch nicht einmal…«
    » …Agenten gewechselt…«
    » …nicht ganz sicher, ob meine Lektorin erscheint oder nicht. Sie hätte eigentlich schon längst mit meinem Manuskript fertig sein sollen…«
    » …und jedes Mal, wenn ich mich umdrehe, ist Darling da. Als ob er mich verfolgen würde oder…«
    Der Geruch von Kölnischwasser, Parfüm, Wein und Zigarettenrauch war überwältigend.
    Sie entkam der Menge, fand eine Gruppe leerer Stühle und ließ sich mit einem Plumps auf einem nieder. Aus dieser sicheren Distanz kam ihr das Gerede wie das Plätschern eines Wasserfalls im Hintergrund vor. Sie lehnte sich in ihrem ledernen Stuhl zurück und starrte zur Decke der einundzwanzigstöckigen Lichthalle, wobei das unangenehme Zwicken in ihrem Bauch demjenigen ähnelte, das sie jeden Tag in der Kantine ihrer Highschool verspürte. Unsichtbarkeit. Die Leute um sie herum schienen unantastbar, unerreichbar, wie Schauspieler in einem Film, den sie in der Dunkelheit eines leeren Kinos auf der Leinwand verfolgte. Diese Empfindung, die sie schon so lange kannte– schon vor dem Tod ihres Vaters–, gab ihr das Gefühl, am Leben nicht teilzunehmen, sondern lediglich eine Zuschauerin zu sein.
    Als Lucy sich wieder aufsetzte, bemerkte sie einen Mann, der sich ihr gegenüber niedergelassen hatte. Er sah alt für sie aus, obwohl er noch keine dreißig war. Sportliches Jackett. Khaki-Hose. Er roch nach Kölnischwasser, was ihr gefiel. Er schien entweder nervös oder verärgert zu sein und starrte unentwegt auf seine Uhr, als ob er auf jemanden warten würde– anscheinend umsonst.
    Sie beobachtete ihn, und das dritte Mal, als sich ihre Blicke trafen, schenkte er ihr ein schmales Lächeln und nickte ihr zu.
    Er trug wie sie kein Namensschild, aber Lucy versuchte es trotzdem. » Sind Sie Autor?«
    » Wie bitte?«
    » Sind Sie Autor?«
    » Ja.«
    » Cool.« Der Mann warf erneut einen Blick auf seine Uhr. » Sind Sie wegen der Tagung hier?«
    » Ja.«
    » Was haben Sie geschrieben?«
    » Mein erstes Buch ist vor zwei Monaten erschienen.«
    » Wie heißt es?«
    » Todesfall in der Familie.«
    » Noch nie gehört. Worum geht es?«
    » Nun… Äh… Tja, da ist diese Großfamilie in Portland, und die haben ein Familientreffen, bei dem einer der älteren Brüder umgebracht wird. Oder genauer gesagt, er wird tot aufgefunden. Die Polizei kommt, und niemand darf das Haus während der Ermittlungen verlassen. Was so unter dem Genre ›Verschlossener Raum‹ läuft.«
    » Und? Ist es gut?«
    » Das
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