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Serafinas später Sieg

Serafinas später Sieg

Titel: Serafinas später Sieg
Autoren: Judith Lennox
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Nachdem Maria und William geheiratet hatten und meine Angelegenheiten geregelt waren, bestieg ich mit Francesco ein Schiff nach England. In Italien konnte ich nicht bleiben – ich hatte zu viele Regeln verletzt –, und nach Frankreich wollte ich nicht zurück. Das Haus in Neapel übereignete ich Constanza – als Dank dafür, daß sie sowohl Thomas als auch mir das Leben gerettet hatte. Und aus Rache an Galeazzo Merli. Es würde ihn hart treffen, Constanza nicht mehr erpressen zu können.
    Als wir in England ankamen, war es Winter. Die kahlen Äste der Bäume ragten wie knochige Finger in den fahlen Himmel. Ich hatte zu frieren begonnen, als wir das Kap umrundeten, und ich fror weiter, während ich in London eine Unterkunft für Francesco und mich suchte. Schließlich fand ich etwas Passendes, und der Wirt hatte nichts gegen mein ausländisches Geld einzuwenden, da die Münzen aus Gold waren. Und Francesco, mein schöner blauäugiger Sohn, gewann die Herzen im Sturm. Schon kurz nach unserem Einzug war er in der Küche der Wirtin zu Hause, wo er versuchte, die Katze mit Holzkohlestückchen zu füttern, die er aus dem Korb neben dem Herd holte. Am Ende unseres ersten Tages in der Fremde sprach er bereits drei englische Worte: »Katze«, »nein«, und »mehr«. Ich brauchte einen Monat, bis ich mich einigermaßen verständigen konnte, doch selbst dann sträubte meine Zunge sich noch, derart fremdartige Laute hervorzubringen: Thomas und ich hatten stets entweder französisch oder italienisch miteinander gesprochen. Zwei Tage später ritt ich nach Southwark. Der Wirt hatte einen Begleiter für mich gefunden – einen jungen Mann, der einmal im Dienste des französischen Botschafters gestanden hatte. Roland ist immer noch bei mir, jetzt jedoch als Sekretär, und nebenher macht er eine Notarausbildung. An jenem Tag zeigte ich ihm die Adresse auf dem Brief, den Thomas mir vor langer Zeit gegeben hatte, und wir ritten gemeinsam los. Es war bitter kalt, und meine Finger waren trotz der Handschuhe binnen Kürze kaum noch zu bewegen. Francesco fing an zu weinen, weil ihm der Wind ins Gesicht schnitt, und ich nahm ihn unter mein Cape und wärmte ihn mit meinem Körper. Ich kam mir schrecklich verlassen vor. Thomas! dachte ich sehnsüchtig, als Roland mir am Ziel Francesco abnahm und ich vom Pferd stieg. Thomas wird mich wärmen. Robert Marlowes Gasthaus war das größte am Platze. Ein loderndes Kaminfeuer verbreitete behagliche Wärme in der Stube, und an Spießen brieten große Fleischstücke. Es war Mittagszeit und das Haus entsprechend gut besucht. Als wir eintraten, wandten sich uns alle Köpfe zu. Ich fühlte mich sehr klein und sehr fremd und sehr hilflos, doch ich ließ mir nichts anmerken. Ich war verkauft worden, verheiratet gewesen und hatte ein Kind geboren, ich hatte viel erreicht und viel verloren – warum sollte ich mich vor diesen harmlosen Gästen fürchten?
    Ich hatte gehofft, Thomas an einem der Tische sitzen oder bei seinem Bruder am Tresen stehen zu sehen, doch ich wurde enttäuscht. Ein Mann kam auf uns zu und fragte nach unserem Begehr. Das mußte der Wirt sein – Thomas' Bruder. Roland sprach ein paar Worte mit ihm und forderte mich dann auf, den Brief zu übergeben. Robert Marlowe war klein und dick und hatte eine beginnende Glatze. Wie ich später erfuhr, war er acht Jahre älter als Thomas – und ein herzensguter Mensch. Während er das Schreiben las, blickte er immer wieder auf und musterte mich und Francesco, den ich auf dem Arm hielt. Dann nahm er mich am Arm und führte mich in die rückwärts gelegene riesige Küche. Kupfertöpfe und -pfannen hingen an den Wänden, und auf dem Herd brutzelte und kochte es. Wie sich herausstellte, hatten die Marlowes sechs Kinder. Vier davon gingen voller Eifer der Mutter zur Hand, während das fünfte eine Wiege schaukelte, in der das sechste lag.
    Nachdem auch Anne den Brief gelesen hatte, merkte ich, daß etwas nicht stimmte. Ich erkannte es an den mitleidigen Blicken, mit denen sie Francesco und mich ansahen. Ungeduldig und voller Angst hing ich an Rolands Lippen, der mir übersetzte, was die Wirtsleute sagten. Die Kingfisher war auf dem Weg von Pisa nach England vor dem Kap von algerischen Korsaren versenkt worden. Wenn er überlebt hatte, war er jetzt ein Gefangener der Berber. Meine Knie gaben nach, und Anne Marlowe setzte mich auf den einzigen freien Stuhl und flößte mir heiße Suppe ein. Am nächsten Tag ritt ich nach Blackfriars zu John Keane. Er
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