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Serafinas später Sieg

Serafinas später Sieg

Titel: Serafinas später Sieg
Autoren: Judith Lennox
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machen? Der Mann hob die Hand und schlug ihr Rosalie aus dem Arm. Dann zückte er sein Krummschwert und setzte die Spitze auf Serafinas Mieder.
    Ihr Blick glitt von ihrer Puppe zu ihrem Vater und zurück zu dem Korsar. Rosalie hatte die rüde Behandlung nicht gut überstanden: Das blaue Kleid war schmutzig und zerrissen, die mühsame Stickerei kaum noch zu erkennen, nur das hölzerne Gesicht starrte sie mit unverändert stoischer Ruhe an. Serafina hörte ihren Vater fluchen, und dann sah sie, wie er mit der Peitsche geschlagen wurde. Er war, wie alle anderen Christen, nur noch mit Hosen bekleidet.
    Da verstand sie, was der Türke wollte, und stand langsam auf. Sie war sich erst seit dem Gespräch mit Marthe ihres Körpers bewußt und hatte Schamgefühl entwickelt, doch weder zitterte noch weinte sie, und ihre Finger bebten kaum, als sie begann, ihr Kleid aufzuknöpfen. Sie sagte sich, daß sie froh sein könne, das enge Ding loszuwerden, daß es in den Unterröcken angenehm kühl sein würde.
    Sie stießen Serafina und Mathilde unter Deck in den Raum, in dem die Weinfässer lagerten. Mathilde hatte ihr Kleid noch an, Serafina war ihres nur wegen der aufgenähten Perlen weggenommen worden.
    Die Korsaren befreiten ihre Glaubensbrüder und ketteten statt ihrer die christlichen Gefangenen an die Ruderbänke. Wie sie so im Dämmerlicht kauerte, sah Serafina ihren Vater vor sich, den stolzen Franco Guardi, wie er, von türkischen Peitschen angetrieben, das ihm zugewiesene Ruder bewegte – und plötzlich wurde sie von Angst überwältigt. Nein, sie durfte sich diese Schwäche nicht gestatten! Angewidert schaute sie zu Mathilde hinüber, die schniefend in einer Ecke lag. Ihre Gebete waren umsonst gewesen. Das Mädchen hatte jede Menschenwürde verloren. Serafina verachtete sie dafür, sie würde nicht zulassen, daß ihr dasselbe geschähe!
    Besorgt schaute sie an sich herunter. Nachdem ihr das Kleid abgenommen worden war, hatte sie entdeckt, daß ihr Körper mit kleinen roten Flecken übersät war. In diesem Zustand sollte sie sich mit Michele Corsini verloben? fragte sie sich alarmiert. Doch dann wurde ihr bewußt, daß es aufgrund der neuesten Entwicklung nicht dazu kommen würde. Beruhigt rollte sie sich auf einer Bank zusammen und schlief ein.
    Viele Stunden später ging das Schiff bei einer kleinen Insel vor Anker, um Wasser aufzunehmen. Die Gefangenen wurden ans Ufer getrieben. Das kühle Salzwasser war eine Wohltat für Serafinas heiße, juckende Glieder. Mathilde, deren Gesicht vom Weinen völlig verschwollen war, ließ sich von ihr an Land führen.
    Als Serafina sich neben ihr in den Sand setzte, sah sie ihren Vater zum letzten Mal. Der Himmel wölbte sich leuchtend blau über dem kargen Eiland, dessen einzige Wasserader sich durch ein von spärlichem Grün gesäumtes Bachbett schlängelte. Es war Serafina unmöglich, die von der gleißenden Helligkeit geblendeten Augen ganz zu öffnen.
    Die Gefangenen waren gezwungen worden, ein großes Feuer zu entfachen. Neben den Kochkesseln steckte eine Eisenstange in der Glut. Einer der rotgekleideten türkischen Schergen befahl Franco Guardi, sich hinzusetzen und einen nackten Fuß auszustrecken. Dann ergriff er die Eisenstange und zog ihre glühende Spitze zweimal über Franco Guardis Fußsohle. Serafina hatte die Hände über die Augen gelegt, um sich gegen das Sonnenlicht zu schützen, doch durch die Spalten zwischen ihren Fingern sah sie, welches Zeichen der Mann auf den Fuß ihres Vaters gemacht hatte: ein Kreuz. Dies war eine ebenso grausame wie übliche Zeremonie, die Christen wurden gekennzeichnet wie Vieh.
    Die Reise wurde fortgesetzt. Serafinas Haut juckte unerträglich. Sie saß mit Mathilde in ihrer Kabine und kratzte sich blutig. Mathilde weinte nicht mehr – sie war in einen Zustand erstarrter Teilnahmslosigkeit gesunken. Ihre geschwollenen Lippen murmelten keine Gebete mehr, der Rosenkranz war ihren Fingern entglitten und zu Boden gefallen. Als Serafina erkannte, daß das Mädchen nichts um sich herum wahrnahm, schubste sie ihn in die Lücke zwischen zwei Bodenbrettern. Sie hatte begriffen, daß Vernunft wichtiger war als Glauben: Es hatte keinen Sinn, ihre religiöse Überzeugung zu betonen – es würde den Zorn der Ungläubigen nur unnötig schüren.
    Trotz des Bullauges verlor Serafina nach einer Weile jedes Zeitgefühl. Waren sie eine Woche unterwegs oder einen Monat? Manchmal fror sie so sehr, daß sie überzeugt war, sie seien auf dem Weg in die
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