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Septimus Heap 06 - Darke

Titel: Septimus Heap 06 - Darke
Autoren: Angie Sage
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Mutter und seiner Schwester die Briefe zu überbringen, und sie würde sie überbringen, ganz gleich, was Sarah Heap von ihr dachte.
    Ihre Begleiterin hatte sie nun eingeholt.
    »Verzeihen Sie, Lucy«, sagte sie, »aber ein Geist hat mir gerade eine Geschichte erzählt, eine sehr, sehr traurige Geschichte. Die Liebe ihres Lebens – und ihres Todes – ist durch einen Zauber verbannt worden. Versehentlich. Wie kann einem Zauberer nur ein solcher Fehler unterlaufen? Ach, wie furchtbar.« Die Frau schüttelte den Kopf. »Wirklich furchtbar.«
    »Das kann nur Alice Nettles sein«, erwiderte Lucy. »Ich weiß von Simon, dass Alther etwas Schreckliches zugestoßen sein soll.«
    »Ja. Alice und Alther. Wie traurig ...«
    Lucy hatte für Geister nicht viel übrig. Ihrer Ansicht nach waren Geister tot – und es kam doch darauf an, dass man, solange man noch lebte, mit dem Menschen zusammen war, mit dem man zusammen sein wollte. Aus eben diesem Grund war sie in die Burg zurückgekommen und bibberte jetzt in dem bitterkalten Nordwind, der vom Fluss heraufwehte. Sie war müde und sehnte sich nach einem warmen Bett, in das sie sich kuscheln konnte.
    »Gehen wir weiter?«, fragte sie. »Ich weiß ja nicht, wie es Ihnen geht, aber ich friere.«
    Die Frau nickte. Groß und schlank, zum Schutz vor dem Wind fest in ihren dicken Wollmantel gewickelt, setzte sie vorsichtig einen Fuß vor den anderen und suchte mit ihren wachsamen Augen das Gelände vor ihnen ab, denn im Unterschied zu Lucy sah sie keinen breiten, leeren Weg. Für sie wimmelte der Weg und die ihn säumenden Rasenflächen von Geistern: dahineilenden Palastdienern, jungen Prinzessinnen, die Fangen spielten, kleinen Pagen, alten Königinnen, die zwischen verschwundenen Gebüschen umherwandelten, und bejahrten Palastgärtnern, die geisterhafte Schubkarren schoben. Sie schritt deshalb so vorsichtig aus, weil Geister einer Geisterseherin dummerweise nie aus dem Weg gingen. Sie hielten sie für eine der ihren – bis sie von ihr passiert wurden. Und dann waren sie natürlich furchtbar eingeschnappt.
    Lucy, die keinen einzigen Geist sah, schritt kräftig aus, und die Geister machten eilends Platz, denn nicht wenige hatten mit ihr und ihren derben Stiefeln bereits unliebsame Bekanntschaft geschlossen. Bald erreichte sie den oberen Weg, der um den Palast herumführte, und drehte sich nach ihrer Begleiterin um, die erneut zurückgeblieben war. Das Bild, das sich ihr darbot, war sehr sonderbar: Die Frau trippelte auf Zehenspitzen den Weg herauf und hopste mal nach links, mal nach rechts, als tanze sie einen von diesen altmodischen Burgtänzen – nur eben ganz allein. Lucy schüttelte den Kopf. Das ließ nichts Gutes ahnen.
    Schließlich schloss die Frau, nervös und außer Atem, zu ihr auf, und Lucy ging schweigend weiter. Sie hatte beschlossen, den Rundweg zu nehmen, der um den Palast herum zum Haupteingang führte, anstatt an eine der vielen Küchen- und Seitentüren zu klopfen, denn dort bestand die Gefahr, dass niemand sie hörte.
    Der Palast war ein sehr lang gestrecktes Gebäude, und so dauerte es gut zehn Minuten, bis Lucy und die Frau endlich auf die flache Holzbrücke traten, die über den Ziergraben zum Tor führte. Als sie ankamen, öffnete ein kleiner Junge die Nachtpforte – eine kleine Tür, die in das große Flügeltor eingelassen war.
    »Willkommen im Palast«, flötete Barney Pot, der in seinem grauen Palastrock und seinen roten Beinkleidern prächtig aussah. »Wen wünschen Sie zu sprechen?«
    Lucy kam gar nicht erst dazu, ihm zu antworten.
    »Barney!«, trällerte eine Stimme von drinnen. »Hier steckst du! Es ist Zeit fürs Bett. Du hast morgen Schule.«
    Lucys Begleiterin erbleichte.
    Barney drehte sich um. »Aber ich möchte den Türdienst machen«, protestierte er. »Bitte. Nur noch fünf Minuten.«
    »Nein, Barney. Ab ins Bett!«
    »Snorri?« Die Frage kam von der Frau, die plötzlich leicht wankte.
    Ein Mädchen mit langen hellblonden Zöpfen steckte den Kopf durch die Nachtpforte und spähte mit blassblauen Augen in die Dunkelheit heraus. Sie stutzte, blickte scharf an Lucy vorbei und schnappte nach Luft. »Mama!«
    »Snorri... oh, Snorri!«, rief Alfrun Snorrelssen.
    Snorri Snorrelssen flog in die Arme ihrer Mutter. Lucy lächelte wehmütig. Vielleicht, dachte sie, war das ein gutes Omen. Wenn sie nachher an die Tür des Torhauses am Nordtor klopfte, würde sich ihre Mutter vielleicht ebenso freuen, sie zu sehen. Vielleicht.

* 3 *
    3.  Der Abend vor
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