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Septimus Heap 06 - Darke

Titel: Septimus Heap 06 - Darke
Autoren: Angie Sage
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vorbeifahren würde. Sie schaute zu der Frau, die neben ihr saß. Auf der ersten Hälfte der Fahrt hatte sie versucht, ihrem seltsam verstörenden Blick auszuweichen, aber nachdem die Fremde sie schüchtern nach dem Weg zum Palast gefragt hatte – der auch ihr erstes Ziel heute Abend war –, hatten sie sich die übrige Fahrt angeregt unterhalten. Jetzt stand die Frau müde auf und schloss sich den anderen Passagieren an.
    »Warten Sie einen Moment«, sagte Lucy zu ihr. »Mir ist da eine Idee gekommen ... Verleihung?«, rief sie dem Fährjungen zu.
    Der Fährjunge drehte sich um. »Ja, Schätzchen?«
    Mit einiger Mühe überhörte Lucy das »Schätzchen«. »Wo geht ihr heute Nacht vor Anker?«, fragte sie.
    »Bei dem auffrischenden Nordwind wohl bei Jannit Maartens Werft«, antwortete er. »Wieso?«
    »Nun ja, ich habe mich gefragt ...« Lucy schenkte dem Jungen ihr schönstes Lächeln. »Ich habe mich gefragt, ob ihr uns vielleicht mitnehmen und unterwegs absetzen könntet. Es ist so kalt heute Nacht. Und finster obendrein.« Lucy zitterte eindrucksvoll und sah den Fährjungen aus großen braunen Augen traurig an. Es war sofort um ihn geschehen.
    »Aber klar, Schätzchen. Ich sage dem Skipper Bescheid. Wo wollt ihr denn aussteigen?«
    »Am Landungssteg des Palastes, wenn’s recht ist.«
    Der Junge blickte verdutzt. »Am Palast? Bist du sicher, Schätzchen?«
    Lucy verkniff sich die Bemerkung »Nenn mich nicht ständig Schätzchen, du unverschämter Kniich« und sagte stattdessen: »Ja, aber bitte nur, wenn es nicht zu große Mühe macht.«
    »Für dich ist mir keine Mühe zu groß, Schätzchen«, erwiderte der unverschämte Kniich, »obwohl ich dich nicht am Palast absetzen würde, wenn es nach mir ginge.«
    »Ach ja?« Lucy wusste nicht recht, wie sie das verstehen sollte.
    »Ja weißt du denn nicht, dass es an dem Landungssteg spukt?«
    Lucy zuckte mit den Schultern. »Das stört mich nicht«, sagte sie. »Ich kann Geister sowieso nicht sehen.«
    Die Fähre legte vom Neuen Kai ab. Sie wendete an der breiten Stelle des Flusses und schaukelte beängstigend, als sie quer zur Strömung lag und kurze, vom Wind aufgewühlte Wellen gegen den Rumpf schlugen. Doch sobald der Bug stromabwärts blickte, lag sie wieder ruhig im Wasser, und etwa zehn Minuten später kam sie am Landesteg des Palastes sachte zum Stehen.
    »Da wären wir, Schätzchen«, sagte der Fährjunge und warf eine Leine um einen Vertäupfahl. »Wünsche einen angenehmen Aufenthalt.« Er winkte Lucy zu.
    »Danke«, erwiderte Lucy trocken, stand auf und streckte ihrer Nachbarin die Hand hin. »Wir sind da.«
    Die Frau lächelte sie dankbar an, erhob sich ungelenk und folgte ihr an Land.
    Die Porter Fähre legte wieder ab. »Auf Wiedersehen!«, rief der Fährjunge.
    »Nicht wenn ich dich zuerst sehe«, grummelte Lucy und wandte sich ihrer Begleiterin zu, die staunend auf den Palast blickte. Tatsächlich bot der Palast einen herrlichen Anblick – ein lang gestreckter, niedriger Bau, aus alten gelben Steinen errichtet, mit hohen, eleganten Fenstern, davor gepflegte Rasenflächen, die bis an den Fluss heranreichten. In jedem Fenster flackerte eine Willkommenskerze, sodass das ganze Gebäude in der anbrechenden Dunkelheit in einem magischen Glanz erstrahlte.
    »Hier wohnt sie?«, murmelte die Frau in ihrem melodischen Akzent.
    Lucy nickte kurz. Sie wollte sich nicht unnötig lange aufhalten und schritt zielstrebig den breiten Weg zum Palast hinauf. Doch die Frau kam ihr nicht nach. Sie blieb auf dem Landungssteg stehen und redete, wie es schien, in die leere Luft. Lucy seufzte. Warum geriet sie immer an verschrobene Leute? Sie wollte die Frau nicht stören bei ihrem einseitigen Gespräch – bei dem es offenbar um etwas Ernstes ging, denn sie nickte jetzt traurig – und ging weiter, den Lichtern des Palastes entgegen.
    Lucy fühlte sich nicht gut. Sie war müde und fror, und vor allem fragte sie sich beklommen, wie man sie im Palast wohl empfangen würde. Sie fasste in die Tasche, in der Simons Briefe steckten, zog sie heraus und las mit zusammengekniffenen Augen die Namen, die Simon in seiner großen, schwungvollen Handschrift auf die Umschläge geschrieben hatte: Sarah Heap. Jenna Heap. Septimus Heap. Den Brief an Septimus schob sie wieder in die Tasche, die anderen beiden behielt sie in der Hand. Sie seufzte. Am liebsten würde sie jetzt sofort zu Simon zurückkehren, um sich zu vergewissern, dass alles in Ordnung war. Aber Simon hatte sie gebeten, seiner
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