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Septimus Heap 06 - Darke

Titel: Septimus Heap 06 - Darke
Autoren: Angie Sage
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starke Strömung. Von Zeit zu Zeit blickte Lucy zurück. Simon stand noch immer am Kai. Seine langen blonden Haare wehten im Wind, und die Schöße seines hellen Wollmantels flatterten hinter ihm wie Mottenflügel.
    Simon blickte der Fähre nach, bis sie langsam in den Dunst eintauchte, der in Richtung Marram-Marschen über dem Fluss lag. Als sie endgültig verschwunden war, stampfte er mit den Füßen, um sich zu wärmen, und machte sich dann auf den Weg durch das Gewirr der Straßen, zurück in sein Dachzimmer im Zollhaus.
    Auf dem letzten Treppenabsatz im Zollhaus angekommen, stieß Simon die mit Latten verkleidete Tür zu seinem Zimmer auf und trat über die Schwelle. Die eisige Kälte, die ihm entgegenschlug, nahm ihm den Atem. Er spürte sofort, dass etwas nicht stimmte – in der Dachkammer war es immer kalt, aber nicht so kalt. Dies war eine schwarzmagische Kälte. Hinter ihm knallte die Tür zu, und als käme es vom anderen Ende eines langen, tiefen Tunnels, hörte er, wie der Türriegel zuschnappte und ihn zum Gefangenen in seinem eigenen Zimmer machte. Mit klopfendem Herzen zwang er sich, sich umzusehen. Eigentlich hatte er sich vorgenommen, von seinen alten schwarzmagischen Künsten nie wieder Gebrauch zu machen. Aber manche setzten sich, wenn man sie einmal erlernt hatte, selbsttätig in Gang – wie zum Beispiel die Fähigkeit, Dunkelwesen zu sehen. Und so sah Simon – im Unterschied zu den meisten Leuten, die, wenn sie das Pech haben, einem Gespenst zu begegnen, nur wabernde Schatten und einen Hauch von Verwesung wahrnehmen – das Gespenst in allen unappetitlichen Einzelheiten. Es hockte auf seinem schmalen Bett und beobachtete ihn mit verschleiertem Blick. Simon wurde übel von dem Anblick.
    »Willkommen.« Die tiefe drohende Stimme des Gespenstes erfüllte den Raum und jagte Simon einen kalten Schauer über den Rücken.
    »Äh ... äh ...«, stammelte er.
    Mit Genugtuung bemerkte das Gespenst die Angst in seinen dunkelgrünen Augen. Es klappte die langen, spindeldürren Beine übereinander, nagte an einem Finger, von dem sich die Haut abpellte, und sah Simon dabei boshaft an.
    Vor nicht allzu langer Zeit hätte der Blick eines Gespenstes Simon nichts ausgemacht. Als er noch im Observatorium in den Ödlanden wohnte, hatte er sich hin und wieder sogar die Zeit damit vertrieben, ein Gespenst herbeizubeschwören und dann so lange anzustarren, bis es verlegen wegsah. Nun aber brachte er es kaum über sich, zu dem halb verwesten Bündel aus Lumpen und Knochen auf seinem Bett hinzuschauen, geschweige denn, ihm in die Augen zu sehen.
    Das Gespenst bemerkte natürlich Simons Widerwillen und spie ein schwarzes Stück Fingernagel auf den Boden. Unwillkürlich musste Simon daran denken, was Lucy wohl sagen würde, wenn sie das auf dem Fußboden fände. Der Gedanke an Lucy gab ihm den Mut zu sprechen.
    »Was willst du?«, fragte er leise.
    »Dich«, antwortete die hohle Stimme des Gespenstes.
    »Mi... mich?«
    Das Gespenst sah ihn verächtlich an. »Di...dich«, erwiderte es höhnisch.
    »Warum?«
    »Ich bin gekommen, um dich zu holen. Wie es in deinem Vertrag steht.«
    »In meinem Vertrag? In welchem Vertrag?«
    »Den du mit unserem alten Meister geschlossen hast. Du bist immer noch daran gebunden.«
    »Was? Aber ... aber er ist doch tot. DomDaniel ist tot.«
    »Der Besitzer des Ringes mit dem Doppelgesicht ist nicht tot«, erwiderte das Gespenst.
    Simon war entsetzt. Wie von dem Gespenst beabsichtigt, nahm er an, dass der Besitzer des Rings nur DomDaniel sein konnte. »DomDaniel ist nicht tot?«
    Das Gespenst ging auf die Frage nicht ein, sondern wiederholte nur seine Anweisung. »Der Besitzer des Rings mit dem Doppelgesicht verlangt nach dir. Du wirst ihn unverzüglich aufsuchen.«
    Simon war vor Schreck wie gelähmt. All seine Bemühungen, die Schwarzkünste hinter sich zu lassen und mit Lucy ein neues Leben zu beginnen, schienen plötzlich vergeblich. Er verbarg das Gesicht in den Händen. Wie hatte er nur so dumm sein können und glauben, er könnte den Dunkelmächten entrinnen? Das Knarren einer Fußbodendiele ließ ihn aufschauen. Das Gespenst kam auf ihn zu und streckte seine Knochenhände nach ihm aus.
    Simon sprang auf. Ganz gleich, was jetzt geschah, aber zu den Dunkelmächten würde er nicht zurückkehren. Er stürzte zur Tür und riss an der Klinke, aber die Tür bewegte sich nicht. Das Gespenst war jetzt dicht hinter ihm, so dicht, dass er die Verwesung riechen und ihren bitteren Geschmack auf
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