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Sepp und seine Bande

Sepp und seine Bande

Titel: Sepp und seine Bande
Autoren: Helmut Höfling
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Grunde alle nicht anders aus als seine bisherigen Klassenkameraden im Münchner Leopold-Gymnasium.
    Und noch etwas anderes stärkte Sepps Selbstbewußtsein: Verwundert und befriedigt hatte er festgestellt, daß er den Unterrichtsstoff, den der Englischlehrer vortrug, bereits kannte. In München hatten sie schon vor sechs Wochen die gleichen verzwickten Grammatikkapitel durchgekaut.
    Eigentlich brauch i goar net hinzhörn... Dös kann i im Schlaf.
    Verstohlen begann Sepp sich im Klassenzimmer umzuschauen. Die Wände waren weiß gestrichen und unten mit breiten Streifen in gelber und grüner Ölfarbe abgesetzt, damit man nicht so leicht die Spuren erkennen konnte, die Jungen mit schmutzigen oder fettigen Händen leicht hinterlassen. Die Bänke und Pulte wirkten gar nicht so altmodisch wie im Leopold-Gymnasium. Eigentlich waren es gar keine Bänke, sondern bequeme Stühle, die man je nach Größe verstellen konnte. Und die Pulte glichen eher Schreibtischen, in die sich jeweils zwei Schüler teilten. Eingeschnitzte Kerben, Figuren und Geheimzeichen, die noch „aus der Römerzeit stammten“, vermißte Sepp darin völlig.
    Wie gesagt: das Beethoven-Gymnasium war eben eine neue, moderne Schule — das war aber auch der ganze Unterschied.
    Penne bleibt Penne — das riecht selbst ein Blinder!
    Sepps Blick schweifte hinaus durch die breiten, tief hinuntergezogenen Fenster auf den Schulhof. Die großen Blätter der Platanen glänzten regennaß, und die Kastanienbäume waren mit runden, stacheligen Früchten geschmückt.
    Es war einer jener kalten, regnerischen Tage, die sich aller Vernunft zum Trotz hin und wieder in die schönste Sommerzeit einschleichen. Als Sepp am frühen Morgen aufgestanden war, hatte es noch wie aus Kübeln gegossen, doch jetzt zerriß manchmal ein Sonnenstrahl die grauen Regenwolken und kämpfte sich bis auf den verlassenen Schulhof durch.
    „Sepp!“
    Der Ruf des Lehrers klang scharf, aber der Junge hörte ihn nicht: er träumte.
    „Herr Dallmayer!“
    Die Klasse lauerte gespannt, ob „Herr Dallmayer“ diesmal aufgewacht war. Richtig gehört, so mit vollem Bewußtsein, hatte Sepp die Aufforderung zur Antwort noch immer nicht. Er merkte nur, wie ihn alle plötzlich schadenfroh anstarrten.
    „I...?!“
    So fragte Sepp im reinsten Bayerisch — so ungläubig, als habe jemand behauptet, er sei gerade vom Kastanienbaum gefallen.
    Das klang so überwältigend komisch, daß die Klasse loswieherte wie ein Stall junger Fohlen.
    „Ja, du — wenn ich bitten darf, Herr Dallmayer!“ betonte der Lehrer nachdrücklich.
    Das Blut schoß Sepp in den Kopf. Nervös umkrampften seine Finger den Rand der Schreibtischplatte, als er aufstand.
    Der Studienrat schaute ihn durchdringend an und sagte dann gedehnt:
    „Also...?“
    „Bitte...?“ stammelte Sepp verlegen.
    „Ich warte!“
    Das merkte Sepp auch. Aber worauf der Lehrer wartete — das wußte er nicht. Am liebsten hätte er ihn danach gefragt, doch in diesem Fall ging das wohl schlecht.
    „Na...?“ bohrte Dr. Pöttgen unerbittlich weiter.
    „I — eh — ich — eh — ich weiß nicht, Herr ..
    „Aber ich!“ fiel der Lehrer tadelnd ein. „Setzen, Herr Dallmayer!“
    Ein Gelächter der Schadenfreude brach über Sepp herein. Seine Backen glühten rot wie gefüllte Tomaten, die aus dem Backofen kommen.
    Als habe er Pudding in den Knien, so sackte Sepp zusammen. Schon gleich in der ersten Stunde so ’n Reinfall! dachte er zerknirscht.
    Na warte, Freundchen, gleich bist du hellwach! So dachte der dicke Willem. Er hatte nämlich, als Sepp zwischen Stuhl und Pult hing wie ein angeschlagener Boxer in den Seilen, einen Reißbrettstift auf den Sitz seines neuen Nebenmanns gelegt — natürlich mit der Spitze nach oben! Der dicke Willem und die Meute um ihn herum spannten auf den Augenblick, in dem Sepp auf seine vier Buchstaben plumpsen würde.
    Und jetzt — jetzt war es geschehen: Sepp hatte sich hingesetzt — und blieb ruhig sitzen, als säße er auf einem Daunenkissen! Er rührte sich nicht und gab keinen Muckser von sich, statt wie ein Ferkel zu quietschen und hochzuschnellen.
    Dem dicken Willem blieb die Spucke weg, und er schluckte, als habe er einen Kloß im Hals stecken. Unwillkürlich führte er seine rechte Hand, in der er einen zweiten Reißbrettstift hielt, an seine Hinterbacke und stupfte sich damit selbst in den Hosenboden. Wie erwartet zuckte er zusammen und riß die Hand zurück, als habe er sich an einem heißen Ofen die Finger
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