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Sepp und seine Bande

Sepp und seine Bande

Titel: Sepp und seine Bande
Autoren: Helmut Höfling
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„Oberwolf“ zurückging. Willem — so hieß ihr Anführer — liebte nun einmal Ausdrücke so kräftig und schwergewichtig wie er selbst.
    In irgendeinem alten Wildwest-Schmöker hatte er die „Bande der Wölfe“ kennengelernt: harte Burschen, wagemutige Draufgänger, der Schrecken der ganzen Gegend. Wo sie mit ihren Fäusten dreinschlugen, gab es Kleinholz.
    Und Kleinholz gab es meist auch, wo der dicke Willem zuschlug. Bei ihm zuckten zuerst die Muskeln, ehe die Funken im Gehirn sprühten — und schon platzten die Fäuste dazwischen wie eine Bombe: Das war seine Patentlösung, wenn Probleme oder Meinungsverschiedenheiten auftauchten.
    Der Starke ist niemals allein!
    Diese Binsenwahrheit galt auch für den dicken Willem. Es gab eine ganze Reihe von Jungen, die weniger Mumm in den Knochen hatten als er und es deshalb begrüßten, daß Willem ihnen seine Fäuste lieh, wenn es darauf ankam. Dafür erkannten sie ihn neidlos als ihren Häuptling an.
    Die Wölfe waren Jungen aus der Nachbarschaft, die zum Teil dieselbe Schulklasse besuchten wie ihr Anführer. Ein gutes Dutzend gehörte immer zum Rudel: Die Zahl wechselte ständig, je nachdem, wie Willem gelaunt war. Heute verstieß er den einen, weil dieser etwas „verbrochen“ hatte, was dem dicken Willem nicht in den Kram paßte — und schon morgen schloß er ihn wieder mit einer großmütigen Geste versöhnt in die Arme.
    An diesem frühen Nachmittag, als der Möbelwagen mit dem Umzugsgut der Familie Dallmayer entladen wurde, hatte der dicke Willem nur zwei seiner Leute um sich versammelt: Männe und Flöhchen. Wie in einem Verkehrsknäuel standen sie dicht beisammen und lümmelten sich träge auf ihren Fahrrädern herum.
    Der dicke Willem war vom Rennsattel seines Sport-rads weit nach hinten auf die äußerste Kante des schmalen Gepäckträgers hinuntergerutscht. Er hatte die Unterarme schwer auf den Sattel gestützt und gab sich den Anschein, als langweile ihn das alles.
    Die Jungen hatten sich mit ihren Rädern auf der Straße so aufgestellt, daß sie in den hinten sperrangelweit geöffneten Möbelwagen voll hineinschauen konnten. Das geschah teils aus Neugier, teils aus Langeweile. Und da sie nichts Rechtes mit sich anzufangen wußten, feixten und spöttelten sie, wenn Möbelstücke oder Haushaltsgegenstände ausgeladen wurden, die sie für besonders lächerlich hielten.
    „Der Sessel ist auch von Anno Tobak“, meinte der dicke Willem.
    Männe, ein stämmiger Junge mit Bürstenhaarschnitt und Sommersprossen, griente, als er hinzufügte:
    „Der stammt bestimmt aus Paris, und zwar vom Flohmarkt.“
    „Draufsetzen verboten — sonst kracht er zusammen“, witzelte Flöhchen mit seinem Piepsstimmchen.

    Sie lachten besonders laut und herausfordernd, als wollten sie den Hausmeister und vor allem seinen Sohn verärgern. Als der Junge einen Vogelkäfig ins Haus trug, flachsten die drei Zuschauer erneut:
    „Einen Kanarienvogel haben sie auch.“
    „Der ist doch ausgestopft.“
    „Nä, das ist der Familieneinheitsvogel.“
    Diesmal hatte Männe für den neuen Heiterkeitsausbruch gesorgt, doch der dicke Willem übertraf ihn noch mit der Feststellung:
    „Guckt euch mal die Lampe an! Die sieht aus wie ein bunt bemalter Nachttopf.“
    „Und erst der Tisch!“ prustete Flöhchen gleich darauf. „Der hat krumme Beine wie ein Dackel.“
    „Nä, wie das Baby da im Sepplhöschen“, behauptete der dicke Willem.
    Mit dem Baby im Sepplhöschen meinte er den Sohn des neuen Hausmeisters. Er hieß Sepp und war dreizehn Jahre alt, nur anderthalb Jahre jünger als Willem.
    Sepp half den Möbelpackern — genauso wie sein fünf Jahre altes Schwesterchen Erika. Natürlich quälten sie sich nicht mit Sofas, Kühlschränken und Waschmaschinen ab. Nein, die kleine Erika durfte einen Kleiderbügel forttragen, der aus irgendeinem Korb oder Paket herausgefallen war, und einen Arbeitsschuh von Papa, der sich auf dem Transport selbständig gemacht hatte und vereinsamt im Möbelwagen herumlag.
    Sepp dagegen wagte sich bereits an größere und schwerere Gegenstände heran: Er schleppte die Küchenstühle ins Haus, das Bügelbrett, den Vogelkäfig, eine Kiste mit Kesseln und jene Lampe, die Willem an einen bunt bemalten Nachttopf erinnerte.
    „He du, warum trägst du eigentlich Hosenträger wie ein alter Opa? Verlierst du sonst deine Hose, he?“
    So hänselte der dicke Willem den Sohn des Hausmeisters, als der gerade Erikas Puppenwagen über den Gehsteig schob.
    „Kinder hat er
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