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Sepp und seine Bande

Sepp und seine Bande

Titel: Sepp und seine Bande
Autoren: Helmut Höfling
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angeschossen: Studienrat Dr. Hans Pöttgen! Willems Geheul hatte ihn von seinem Platz hochgejagt, als habe er sich selbst in einen Ameisenhaufen gesetzt. Die Raketenabschußrampe — genaugenommen der Stuhl — fiel um und polterte auf den Boden: so gewaltig war der Abschuß!
    Gift und Galle speiend, hielt sich der dicke Willem seine Kehrseite. Sie sah aus, als sei sie in einen Kaktus gefallen, der statt mit Stacheln mit Reißbrettstiften bewehrt war.
    Ein kurzer Blick darauf — und Dr. Pöttgen war im Bilde!
    „Dallmayer!“
    „Herr Doktor?“
    „Steh auf, wenn ich mit dir rede!“
    Sepp erhob sich und druckste: „Ich „Statt dich wenigstens am ersten Tag zu benehmen“, fiel ihm der Lehrer ins Wort, „und dir alle Mühe zu geben, einen guten Eindruck zu machen, führst du dich auf die denkbar schlechteste Weise ein!“
    „Ich...“
    „Das hast du doch gemacht?“ unterbrach ihn der Lehrer erneut „Oder...?“
    „Ja.“
    „Ich bin sonst nicht für Strafarbeiten. Vielmehr wende ich mich an die Ehre eines Jungen. Du hast doch Ehre im Leib, Dallmayer — oder...?“
    „Ja, Herr Doktor, ich...“
    „Das klang nicht gerade sehr überzeugend, Dallmayer!“ urteilte der Studienrat streng. „Diesmal kann ich es auch nicht bei einem Appell an die Ehre bewenden lassen. Nein, du schreibst zur Strafe den Satz: ,Ich darf meinem Mitschüler keine Reißbrettstifte auf den Sitz legen.“ Verstanden?“
    Sepp nickte und nahm erneut einen Anlauf, um den Fall aufzuklären:
    „Ja, Herr Doktor, ich...“
    Und wieder ein Fehlstart — schon zum viertenmal!
    „Wiederholen!“ forderte ihn der Lehrer mit einer Stimme auf, die keinen Widerspruch duldete.
    Sepp schluckte seine Erklärung hinunter und leierte den Satz:
    „Ich darf meinem Mitschüler keine Reißbrettstifte auf den Sitz legen.“
    „Richtig! Morgen früh lieferst du mir das Blatt ab. Vor dem Unterricht und unaufgefordert, verstanden?“
    „Ja, Herr Doktor, wie oft?“
    „Wie oft...?“ wiederholte Herr Dr. Pöttgen und runzelte die Stirn, was er meistens tat, wenn er scharf nachdachte.
    Sepp nickte und schaute fragend zum Lehrer auf.
    Überlegend blickte Studienrat Dr. Pöttgen von Sepps Gesicht auf Willems Hinterteil und entschied:
    „So oft, wie Willem Reißbrettstifte in der Hose stecken hat!“
    Nur mühsam konnten einige Schüler ein Kichern unterdrücken — und auch Sepp war dem Lachen näher als dem Weinen.
    „Aber wie viele hat er denn drin?“ druckste er zaghaft.
    „So viele, wie du ihm jetzt herausziehst.“
    „Ich?“ stammelte Sepp ungläubig, als habe er falsch verstanden. „Ich soll...?“
    „Natürlich, du hast ihm die Stifte in die Hose gesteckt — also ist es nicht mehr als recht und billig, daß du sie ihm auch wieder herausziehst, oder nicht?“
    „Doch, doch, Herr Doktor.“
    Sepp begann also sein Werk. Er zog den ersten Reißbrettstift aus dem Hosenboden seines Erzfeindes und legte ihn in die offene Schachtel, die er aus dem Fach unter seinem Pult hervorgeklaubt hatte. Dabei bewegte er fast unmerklich die Lippen.
    „Laut zählen, Dallmayer!“ ermahnte ihn der Lehrer.
    „Jawohl, Herr Doktor. Eins —“
    Sepp zog den zweiten Stift heraus und zählte dazu laut:
    „Zwei —“
    Dann den dritten:
    „Drei —“
    Und weiter:
    „Vier — fünf — sechs — sieben — acht — neun...“ Tja, der dicke Willem trug ein ganzes Warenlager Reißbrettstifte auf seinen vier Buchstaben mit sich herum.
    Die anfangs leere Schachtel füllte sich immer mehr, aber noch war sie nicht voll. „100 GURA Reißbrettstifte — undurchdrückbar und doppelt vernietet“, stand auf dem Etikett zu lesen.
    Nur herausziehen und zählen — das fand Sepp auf die Dauer zu langweilig. Als er beim dreizehnten Stift angekommen war, drückte er deshalb erst einmal drauf, ehe er ihn herauszog.
    Der dicke Willem quietschte erneut auf.
    Sepp fuhr ihn an:
    „Das ist deine eigene Schuld. Leg dich übers Pult, sonst komme ich nicht richtig dran.“
    Zähneknirschend gehorchte der dicke Willem. Lieber wollte er eine komische Figur abgeben, als sich erneut piesacken lassen.

    Aber wie wenig sein Wille hier galt, das bekam er bei der zweiunddreißigsten Heftzwecke zu spüren. Er hatte das Gefühl, als würde ihm von einem Viehdoktor brutal eine Spritze in den Allerwertesten gestoßen — wie neulich, als er krank gewesen war. Er erhob Einspruch, indem er quietschte.
    „Du bist selbst schuld daran“, wies ihn Sepp ungerührt zurecht. „Warum hast du dich auch so
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