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Selig in Kleinöd: Kriminalroman (German Edition)

Selig in Kleinöd: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Selig in Kleinöd: Kriminalroman (German Edition)
Autoren: Herbert Schröger , Katharina Gerwens
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ein Erdbeben katastrophalen Ausmaßes würde über sie hereinbrechen, wenn sie Nein sagte, war in dem Moment wie weggeblasen gewesen, als Martha Moosthenninger eines Aprilmorgens im Stechschritt die Küche betreten und dem friedlich auf seiner Decke schlafenden Hund Joschi mit den schwarzen Stiefeletten einen Fußtritt gegeben hatte.
    »Geh mir aus dem Weg, du alte Töle! Und du, Malwine, kochst uns jetzt sofort einen Kamillentee. Die Agnes hat’s g’sagt. Gleich kommt ein Bedürftiger – der braucht das Getränk.«
    »Da ist der Herd! Ich koch euch gar nix mehr!«, hatte Malwine gerufen und sich zu ihrem zitternden Hund unter den Tisch verkrochen. »Ich bin doch ned eure Dienstmagd!«
    Martha Moosthenninger hatte selten so verwirrt geschaut, war aber seitdem vorsichtiger gewesen. Hatte »Bitte« und »Danke« gesagt, eingekauft, die Spülmaschine ein- und ausgeräumt und insgesamt Respekt gezeigt. Trotzdem, es war anstrengend gewesen, sie den ganzen Tag um sich zu haben: Martha und Agnes, beide von einer Mission erfüllt, die Malwine zunehmend suspekt erschienen war.
    Des ist jetzt alles vorbei, dachte Malwine im warmen Wasser der Griesbacher Therme und lächelte. Endlich war sie mit ihrem Leben zufrieden.
    Die schrill kreischenden Kinder aus dem muschelförmigen Becken hatten sich mitsamt ihren Betreuerinnen verzogen. Still war es. Wunderbar still. Nur das Wasser plätscherte leise. Gleich würde ihr Bademeister kommen. Malwine drehte sich auf den Rücken, sah in das lichtdurchflutete Oberlicht und verspürte einen eigenartigen Schmerz in der Brust. Als griffe jemand nach ihrem Herzen. Und als sie erneut zur Decke blickte, lächelte ihr Sohn ihr zu und reichte ihr die Hand.
    »Hermann, mein Hermann«, murmelte sie – und das sollten ihre letzten Worte sein.
    Meinrad Hiendlmayr bog an diesem Mittwoch, dem 2. September, um sechzehn Uhr zehn von der frisch asphaltierten Straße in den holperigen Feldweg ein, der zum Wohnhaus führte, als ihn ein eigenartiges Gefühl befiel.
    Dabei sah alles noch genauso aus, wie er es am Morgen verlassen hatte: Das Küchenfenster war gekippt, die Rollos an den südlichen Wohnzimmerfenstern waren bis zur Hälfte heruntergelassen, um ein Ausbleichen der braunen Ledermöbel im Inneren des Raumes zu verhindern.
    Draußen zwischen Hintereingang und Garten stand immer noch das kleine Zelt über dem Bohrloch. Dem »Loch des Anstoßes«, wie sie es genannt hatten.
    Er stieg aus seinem Wagen und dachte: Wenn Joschi jetzt angelaufen kommt, ist alles in Ordnung.
    Aber Joschi kam nicht. Und Malwine auch nicht.
    Meinrad Hiendlmayr war achtundzwanzig Jahre alt und lebte seit einigen Monaten auf dem Hof der Brunnerin. »Du bist ein Verfolgter des Glücks«, hatte sie gesagt, als sie sich kennenlernten, und gelacht. »Genau wie ich. Das Glück verfolgt uns, aber es erreicht uns nicht.«
    Um siebzehn Uhr saß er immer noch auf der Bank vor dem Haus und behielt die Straße im Blick. Vielleicht kamen sie ja noch, hatten sich einfach nur ein bisschen verspätet. Aber er ahnte schon, dass es keine harmlose Erklärung für das Verschwinden von Malwine Brunner geben würde.
    Zehn Minuten später entdeckte er den grünweißen, schon leicht derangierten VW-Bus des Polizeiobermeisters und hielt den Atem an. Möglicherweise hatte Schmiedinger nur zufällig hier zu tun und würde nicht auf den Hof der Brunnerin abbiegen. Doch da kam der Wagen schon den Schotterweg hochgerumpelt. Schnaufend stieg Adolf Schmiedinger aus. Er stellte sich nicht vor, sondern ging fragend auf Meinrad zu: »Wer sind Sie denn?«
    »Ich wohne hier.«
    »Hier bei der Malwine Brunner?«
    »Ja.« Meinrad nickte hilflos. »Ist was passiert?«
    »Wusst ja gar ned, dass die jetzt doch einen Knecht hat«, murmelte Schmiedinger mehr zu sich selbst. »Im Ort hat’s geheißen, die wohnt da allein, aber so ein großes Anwesen ist natürlich allein gar ned zu bewirtschaften.«
    Der Polizeiobermeister setzte sich zu dem jungen Mann auf die Bank, räusperte sich und sagte: »Die Malwine ist g’storben, heut um zwölf Uhr mittags. Jetzt ist es so, dass die doch immer ihren Hund mitnimmt, und der saß halt in ihrem Auto …« Er bemerkte Meinrads erschrockenen Blick und fügte schnell hinzu: »Keine Angst, den haben meine Kollegen dort natürlich gleich rausg’holt und g’füttert, der Autoschlüssel war ja in Malwines Tasche, und die Tasche war in ihrem Schließfach in der Umkleidekabine, und der Schlüssel zum Schließfach war an ihrem
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